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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Schalldämpfung, die weiche Polsterung und die ruhigen Farben weckten in ihm das Gefühl, in einer Gummizelle eingesperrt zu sein, so komfortabel sie auch war. Er öffnete den Sicherheitsgurt und stand auf.
    Er ging in Richtung des Bugs, durch die Tür, durch die der Steward verschwunden war. Links befand sich die Kombüse, eine winzige Küche mit viel glänzendem rostfreiem Stahl, in der Nicky gerade die Drinks mixte. Das Bild auf der Tür rechts verriet, daß es die Herrentoilette war. Ich darf nicht vergessen, daß die Amerikaner dazu »Men‘s Room« sagen oder bloß Klo, ermahnte er sich. Neben den Toiletten führte eine Wendeltreppe nach oben, zweifellos zum Cockpit oder vielmehr Flugdeck, wie es hier genannt wurde. Geradeaus war ein Abteil in anderer Farbzusammenstellung, in der mehrere uniformierte Besatzungsmitglieder saßen. Einen Augenblick lang fragte Harry sich, was sie hier machten, aber dann erinnerte er sich, daß der Flug immerhin etwa dreißig Stunden dauerte und sich auch die Crew ausruhen und ablösen mußte.
    Er kehrte um, ging wieder an der Kombüse vorbei, durch sein eigenes Abteil, dann durch das größere mit der Eingangstür, durch die sie an Bord gekommen waren. Geradeaus, Richtung Heck, befanden sich drei weitere Passagierabteile in abwechselnden Farbkombinationen, türkiser Teppichboden mit hellgrünen Wänden und rostroter Teppichboden mit beigefarbenen Wänden. Stufen führten hier von einem Abteil zum nächsten, da der Flugzeugrumpf ja gewölbt war und der Fußboden sich dem Heck zu hob. Während er durch die Abteile ging, nickte er freundlich den anderen Fluggästen zu, wie ein reicher, selbstbewußter junger Amerikaner es vermutlich tun würde. Das vierte Abteil hatte zwei kleine Sofas auf einer Seite, während die andere Seite abgeschlossen war und das Bild auf der Tür unmißverständlich darauf hinwies, daß sich dahinter die Damentoilette befand. »Powder Room« umschrieben die Amerikaner das vornehm. Neben der Tür der Damentoilette führte eine Leiter an der Wand zu einer Falltür in der Decke. Der Mittelgang, der durch die ganze Länge des Flugzeugs verlief, endete an einer Tür. Bestimmt die der berühmten Honeymoon Suite, über die soviel in der Presse berichtet worden war. Harry drückte auf die Klinke: Die Tür war verschlossen. Während er den Mittelgang zurückschlenderte, musterte er seine Mitreisenden unauffällig eingehender.
    Er nahm an, daß der Herr im eleganten französischen Anzug Baron Gabon war. Bei ihm saß ein sichtlich nervöser Mann, der keine Socken anhatte. Sehr merkwürdig! Vielleicht war das Professor Hartmann. Er trug einen unmöglichen Anzug und wirkte halb verhungert.
    Harry erkannte Lulu Bell und erschrak regelrecht, weil sie wie vierzig aussah. Er hatte sich immer eingebildet, sie wäre so jung wie die Mädchen, die sie in ihren Filmen spielte, also etwa neunzehn. Sie trug eine Menge Schmuck modernen Stils und guter Qualität: eckige Ohrringe, auffallende Armreifen und eine Bergkristallbrosche, vermutlich von Boucheron.
    Dann sah er wieder die schöne Blondine, die ihm in der Lounge des Hotel South-Western aufgefallen war. Sie hatte ihren Strohhut abgenommen. Ihr Teint war makellos, und ihre blauen Augen strahlten. Sie lachte über etwas, das ihr Begleiter sagte. Ganz offensichtlich war sie in ihn verliebt, obwohl er kein wirklich gutaussehender Mann war. Aber Frauen mögen Männer, die sie zum Lachen bringen können, dachte Harry.
    Die alte Schachtel, die einen Faberge-Anhänger mit rosa getönten Brillanten trug, war vermutlich Prinzessin Lavinia. Ihr Gesicht war zu einer Maske des Abscheus erstarrt und erinnerte ihn an die Geschichte von der Herzogin im Schweinepferch.
    Das größere Abteil, durch das sie an Bord gekommen waren, war während des Starts leer gewesen, wurde jetzt jedoch als Gesellschaftslounge benutzt. Fünf Personen hatten sich inzwischen hier eingefunden, unter ihnen der hochgewachsene Mann, der Harry gegenübersaß. Ein paar der Männer spielten Karten. Ein Berufsspieler könnte auf einer solchen Reise ordentlich abkassieren, dachte Harry unwillkürlich.
    Er kehrte zu seinem Platz zurück, und der Steward brachte ihm seinen Scotch. »Das Flugzeug scheint halb leer zu sein«, bemerkte Harry.
    Nicky schüttelte den Kopf. »Wir sind voll belegt.«
    Harry schaute sich um. »Aber in diesem Abteil befinden sich vier unbesetzte Plätze, und in den übrigen Abteilen ist es nicht anders.« »Natürlich. Bei einem Tagesflug ist hier

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