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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Sitzplatz für zehn Personen, aber Liegeplatz nur für sechs. Sie werden es selbst sehen, wenn wir nach dem Dinner die Betten richten. Freuen Sie sich inzwischen an der Bewegungsfreiheit, die Sie dadurch haben.«
    Harry nahm einen Schluck. An der Höflichkeit und Tüchtigkeit des Stewards ließ sich keineswegs etwas aussetzen, aber er war nicht so servil wie, nun, beispielsweise der Kellner eines Londoner Hotels. Harry fragte sich, ob amerikanische Kellner eine andere Einstellung hatten. Er hoffte es. Bei seinen Expeditionen in die fremdartige Welt von Londons High-Society hatte er dieses ständige Herumscharwenzeln und ewige »Sir«, wenn er sich nur umdrehte, immer ein wenig entwürdigend gefunden.
    Es war Zeit, daß er seine Freundschaft mit Margaret Oxenford vertiefte, die an einem Glas Champagner nippte und in einer Zeitschrift blätterte. Er hatte mit Dutzenden von Mädchen ihres Alters und gesellschaftlichen Standes geflirtet und fiel ganz automatisch in seine Routine. »Wohnen Sie in London?«
    »Wir haben ein Haus am Eaton Square, verbringen jedoch die meiste Zeit auf dem Land«, erklärte sie. »Unser Landsitz ist in Berkshire. Vater hat auch ein Jagdhaus in Schottland.« Ihr Ton war sachlich, als fände sie die Frage ermüdend und wollte die Antwort so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    »Jagen Sie?« Das war seine übliche Konversationsmasche. Die meisten Reichen jagten und liebten es, sich darüber auszulassen.
    »Nicht oft«, antwortete sie. »Ich schieße mehr.«
    »Sie schießen?« fragte er überrascht, denn so ein Hobby wurde keineswegs als ladylike erachtet.
    »Wenn man mich läßt.«
    »Ich nehme an, daß Sie viele Verehrer haben.«
    Sie wandte ihm das Gesicht zu und senkte die Stimme: »Warum stellen Sie mir all diese albernen Fragen?«
    Das verschlug Harry die Sprache. Er hatte viele Mädchen genau dasselbe gefragt, und nicht eine hatte so darauf reagiert. »Sind sie wirklich albern?« brachte er schließlich hervor.
    »Es ist Ihnen doch völlig egal, wo ich wohne oder ob ich jage!«
    »Aber darüber unterhalten die oberen Zehntausend sich doch!« »Und Sie gehören nicht dazu«, sagte sie unverblümt.
    »Menschenskind!« sagte er in seinem normalen Dialekt. »Sie nehmen kein Blatt vor den Mund!«
    Sie lachte, dann meinte sie: »So ist es schon besser.«
    »Ich darf nicht ständig meinen Akzent wechseln, das bringt mich nur durcheinander!«
    »Na gut. Ich finde mich mit Ihrem amerikanischen Akzent ab, wenn Sie mir versprechen, daß Sie mir nicht mit dummen Oberflächlichkeiten daherkommen.«
    Er schlüpfte wieder in seine Rolle als Harry Vandenpost. »Danke, Schätzchen.« Sie läßt sich nichts vormachen, dachte er. Sie hat ihren eigenen Kopf. Aber das machte sie nur um so interessanter.
    »Sie sind sehr gut«, stellte sie fest. »Ich wäre nie darauf gekommen, daß es nicht echt ist. Ich nehme an, das gehört zu Ihrem Modus operandi.«
    Es verwirrte ihn jedesmal, wenn man ihm mit Latein kam. »Schon möglich«, antwortete er, ohne die geringste Ahnung, was sie damit meinte. Er würde das Thema wechseln müssen. Er fragte sich, welcher
    Weg zu ihrem Herzen führte. Es war offensichtlich, daß er mit ihr nicht flirten konnte wie mit all den anderen Mädchen. Vielleicht war sie der übersinnliche Typ und interessierte sich für Seancen und Spiritismus. »Glauben Sie an Geister?« fragte er.
    Das brachte ihm wieder eine scharfe Erwiderung ein. »Wofür halten Sie mich?« entgegnete sie verärgert. »Und warum wechseln Sie das Thema?«
    »Ich verstehe Worte wie modus andy nicht.«
    Sie blickte ihn einen Moment lang verwirrt und gereizt an, dann erhellte sich ihr Gesicht, und sie wiederholte den Ausdruck. »Modus operandi.«
    »Ich bin nicht so lange zur Schule gegangen, daß ich solches Zeug gelernt hätte«, brummte er.
    Die Wirkung seiner Worte war verblüffend. Sie errötete vor Verlegenheit und sagte: »Es tut mir schrecklich leid. Wie taktlos von mir!«
    Diese Wendung überraschte ihn. Viele Mädchen hielten es anscheinend für ihre Pflicht, einem Mann mit ihrer Bildung zu imponieren. Er war froh, daß Margaret bessere Manieren hatte als die meisten ihres Standes. Er lächelte sie an. »Alles vergeben«, versicherte er ihr.
    Wieder erstaunte sie ihn, als sie sagte: »Ich weiß, wie das ist, weil ich auch nie eine richtige Schulbildung bekommen habe.«
    »Bei Ihrem vielen Geld?« fragte er ungläubig.
    Sie nickte. »Wissen Sie, wir gingen nie zur Schule.«
    Harry traute seinen Ohren

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