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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Mädchenhändler sein, der sie an ein türkisches Bordell verkaufen wollte. Nein, dazu war sie viel zu alt. Aber sie hatte keinen Grund, Lovesey zu trauen. Mit Sicherheit wußte sie von ihm nur, daß er ein Engländer mit einem Sportflugzeug war.
    Nancy war bisher insgesamt dreimal geflogen, doch immer in größeren Flugzeugen mit geschlossenen Kabinen, nie mit einem altmodischen Doppeldecker. Es war, als starte man in einem Wagen mit aufgeklapptem Verdeck. Der Wind peitschte gegen ihre Helme, als sie mit dem Dröhnen des Motors in den Ohren die Startbahn entlangrasten.
    Die Passagierflugzeuge, mit denen Nancy geflogen war, hatten sich sanft in die Luft geschwungen, wie ihr nun im Vergleich mit diesem Doppeldecker schien, der hochsprang wie ein Pferd, das eine Hürde nehmen will. Dann ging Lovesey so scharf in die Kurve, daß Nancy Angst bekam, sie würde trotz des Sicherheitsgurts in die Tiefe stürzen. Sie klammerte sich so fest, daß ihre Finger schmerzten. Hatte der Mann überhaupt einen Pilotenschein?
    Jetzt richtete er die kleine Maschine auf, und sie begann rasch zu steigen. Das Erlebnis des Fliegens war faßbarer, weniger wundersam als in einem großen Passagierflugzeug. Nancy konnte die Flügel sehen, den Wind atmen und das Heulen des kleinen Motors hören, und sie konnte spüren , wie es sich in der Luft hielt, wie die Propeller Luft pumpten und der Wind die breite Stoffbespannung der Tragflügel hob, so wie man durch die Schnur, die man hielt, spürte, wie ein Drachen auf dem Wind ritt. In einem geschlossenen Flugzeug gab es das nicht.
    Doch die Anstrengung der kleinen Maschine so direkt mitzufühlen weckte auch ein mulmiges Gefühl in ihr. Die Tragflügel waren nur zerbrechliche Holzspanten mit Stoffbespannung; der Propeller konnte steckenbleiben oder brechen oder sich lösen; der momentan so hilfreiche Wind konnte sich drehen und sich gegen sie wenden; es konnte zu Nebel, einem Gewitter oder Hagel kommen.
    Doch all das schien doch unwahrscheinlich, da das Flugzeug sich in den Sonnenschein hob und die Nase tapfer Irland zuwandte. Nancy war, als säße sie auf einer riesigen gelben Libelle; sie spürte ein komisches Gefühl in der Magengegend, aber auch eine wundervolle Erregung wie auf einem Kettenkarussell.
    Schon bald ließen sie die englische Küste hinter sich. Als sie westwärts über das Wasser flogen, gestattete Nancy sich ein wenig Schadenfreude. Peter würde in Kürze an Bord des Clippers gehen und sich gratulieren, daß er seine clevere ältere Schwester ausgetrickst hatte. Aber sein Triumph ist voreilig, dachte sie mit grimmiger Befriedigung. Er hatte sie nicht hereinlegen können. Er würde einen ordentlichen Schrecken bekommen, wenn er sie in Foynes ankommen sah. Sie konnte es kaum erwarten, sein dummes Gesicht zu sehen.
    Aber sie hatte natürlich immer noch einen Kampf vor sich, auch wenn sie Peter einholen würde. Sie konnte ihn nicht einfach damit besiegen, daß sie zur Vorstandssitzung erschien. Sie würde Tante Tilly und Danny Riley überzeugen müssen, daß sie besser damit fuhren, ihre Anteile nicht zu verkaufen und zu ihr zu halten.
    Sie hätte Peters hundsgemeines Verhalten gern aufgedeckt, damit ihnen allen klarwurde, wie er seine Schwester belogen und gegen sie intrigiert hatte; sie hätte ihn gern fertiggemacht, ihn gedemütigt, indem sie allen vor Augen hielt, was er für eine Schlange war. Aber sie fand nach kurzer Überlegung, daß das nicht klug wäre. Wenn sie ihre Wut und Verachtung zeigte, würde man möglicherweise annehmen, daß sie sich aus rein emotionalen Gründen gegen die Fusion stellte. Sie würde kühl und ruhig über die Zukunftsaussichten sprechen und so tun, als wäre ihre Meinungsverschiedenheit mit Peter rein geschäftlicher Natur. Sie alle wußten, daß sie ein besserer Geschäftsmann war als ihr Bruder.
    Wie auch immer, ihre Argumente waren einleuchtend. Der Preis, der ihnen für ihre Anteile geboten wurde, leitete sich von Blacks Gewinn ab, der durch Peters miserable Geschäftsführung gering war. Nancy vermutete, daß sie sogar mehr bekommen würden, wenn sie die Gesellschaft einfach auflösten und Werk wie Läden einzeln verkauften. Am besten aber wäre, die Gesellschaft nach ihrem Plan umzustrukturieren und dadurch wieder gewinnbringend zu machen.
    Es gab noch einen Grund zu warten: der Krieg. Krieg belebte das Geschäft im allgemeinen und für Firmen wie Black, die das Militär belieferten, im besonderen. Die Vereinigten Staaten würden vielleicht nicht

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