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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Flugzeug doch noch auf festem Boden landen. Die Motorgeräusche waren zumindest nicht schlimmer geworden, ein hohes, unregelmäßiges Dröhnen – wie das rachsüchtige Summen einer verwundeten Wespe. Jetzt fing sie an, sich Sorgen zu machen, wo sie herunterkommen würden, falls sie es bis zur Küste schafften. Konnte ein Flugzeug auf einem Sandstrand landen? Oder auf einem Kiesstrand? Auf einer Wiese wäre es möglich, wenn sie nicht zu uneben war; aber wie sah es bei einem Torfmoor aus?
    Sie würde es früh genug erfahren.
    Die Küste befand sich nun höchstens noch einen halben Kilometer entfernt, Nancy erkannte, daß sie felsig und die Brandung außerordentlich stark war. Der Strand sah entsetzlich gezackt aus, stellte sie bestürzt fest. Er war mit spitzen, scharfkantigen Felsbrocken übersät. Oberhalb niedriger Klippen begann eine Moorlandschaft. Ein paar Schafe weideten dort. Sie studierte das Moorland. Es sah eben aus. Es gab kein Gebüsch, nur ein paar vereinzelte Bäume. Vielleicht konnte das Flugzeug dort landen? Sie wußte nicht, ob sie hoffen oder sich auf den Tod einstellen sollte.
    Der gelbe Doppeldecker kämpfte sich tapfer weiter, verlor jedoch immer mehr an Höhe. Der Salzgeruch der See stieg Nancy in die Nase. Es wäre bestimmt besser, auf dem Wasser niederzugehen, dachte sie furchterfüllt, statt auf diesem Strand. Die scharfen Felsen würden die zerbrechliche kleine Maschine in Stücke reißen – und die Insassen dazu.
    Sie hoffte, es würde ein schneller Tod sein.
    Als der Strand noch ungefähr hundert Meter entfernt war, erkannte sie, daß das Flugzeug gar nicht dorthin steuerte, dazu flog es noch zu hoch. Lovesey wollte anscheinend zu der Weide auf der Klippe. Aber konnte er es schaffen? Sie waren bereits jetzt fast auf der Höhe des Klippenrandes und sanken nach wie vor. Sie würden an der Klippenwand zerschellen! Nancy wollte die Augen schließen, wagte es jedoch nicht. Statt dessen starrte sie wie hypnotisiert auf die heranrasende Klippe.
    Die Maschine heulte wie ein verwundetes Tier. Der Seewind blies Gischt in Nancys Gesicht. Die Schafe auf der Klippe flohen in alle Richtungen, als das Flugzeug auf sie zustieß. Nancy umklammerte den Rand des Cockpits. Sie schienen geradewegs auf den Klippenrand zuzufliegen. Wir prallen dagegen, dachte sie; das ist das Ende! Da hob eine Böe den Doppeldecker eine Spur, und sie dachte schon, sie wären darüber. Doch er sank wieder. Der Klippenrand wird die kleinen gelben Räder abreißen, dachte sie. Und dann, als die Klippe nur noch einen Sekundenbruchteil entfernt war, schloß sie die Augen und schrie.
    Einen Moment geschah nichts.
    Dann kam ein heftiger Aufprall, und Nancy wurde schmerzhaft gegen ihren Gurt gepreßt. Einen Herzschlag lang glaubte sie, sie würde sterben. Dann spürte sie, wie sich die Maschine wieder hob. Sie hörte auf zu schreien und öffnete die Augen.
    Sie waren noch in der Luft, etwa einen Meter über der Klippe. Wieder setzte das Flugzeug auf, und diesmal blieb es unten. Nancy wurde erbarmungslos durchgerüttelt, als es über den unebenen Boden holperte. Sie sah, daß sie auf ein Dorngestrüpp zubrausten, und sie wußte, daß sie doch noch bruchlanden würden. Da machte Lovesey eine Bewegung, und das Flugzeug entging dem Hindernis. Das Holpern ließ nach, sie wurden langsamer. Nancy konnte kaum glauben, daß sie noch lebte. Das Flugzeug hielt schwankend an.
    Erleichterung schüttelte sie wie ein Anfall. Sie zitterte am ganzen Leib und spürte, daß sie hysterisch zu werden drohte. Mit aller Kraft nahm sie sich zusammen. »Es ist vorbei«, sagte sie laut. »Es ist vorbei, es ist vorbei. Mir ist nichts passiert.«
    Lovesey stemmte sich hoch und kletterte mit einem Werkzeugkasten in der Hand aus dem Pilotensitz. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, sprang er hinunter, ging nach vorn ans Flugzeug, öffnete die Haube und studierte den Motor.
    Er hätte mich wenigstens fragen können, wie es mir geht, dachte Nancy.
    Auf eigenartige Weise wirkte Loveseys Rüpelhaftigkeit jetzt beruhigend auf sie. Sie schaute sich um. Die Schafe weideten wieder, als wäre nichts geschehen. Nun, da der Motor verstummt war, hörte Nancy, wie die Brandung sich klatschend gegen den Strand warf. Die Sonne schien, aber ein naßkalter Wind streifte ihre Wangen.
    Sie blieb noch einen Augenblick sitzen. Erst, als sie sicher war, daß ihre Beine sie tragen würden, stand sie auf und kletterte aus dem
    Flugzeug. Zum erstenmal in ihrem Leben stand sie auf irischem

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