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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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menschlicher auf die Kätnerin zu wirken.
    Die Frau lächelte und schüttelte den Kopf, als wolle sie sagen: Mich täuschen Sie nicht!
    »Ich muß nach Dublin«, sagte Nancy.
    Das erschien der Frau begreiflich, und endlich sagte sie etwas: »O ja, natürlich.« Offensichtlich fand sie, daß Erscheinungen wie Nancy in die Großstadt gehörten.
    Nancy war erleichtert, daß sie Englisch sprach. Sie hatte schon befürchtet, die Frau würde nur Gälisch verstehen. »Wie weit ist es?« »Mit einem anständigen Pferd könnten Sie es in eineinhalb Stunden schaffen«, antwortete die Frau mit melodischer Stimme.
    Das brachte sie nicht weiter. In zwei Stunden beendete der Clipper seine Zwischenlandung in Foynes auf der entgegengesetzten Seite der Insel. »Hat irgend jemand hier ein Automobil?«
    »Nein.«
    »Verdammt!«
    »Aber der Schmied hat ein Motorrad.«
    »Das würde genügen.« In Dublin konnte sie vielleicht einen Wagen bekommen, der sie nach Foynes brachte. Sie wußte nicht recht, wie weit es bis Foynes war oder wie lange so eine Fahrt dauern würde, aber versuchen mußte sie es. »Wo ist der Schmied?«
    »Ich führe Sie hin.« Die Frau stieß den Spaten in die Erde.
    Nancy folgte ihr um die Kate herum. Die Straße war nur ein etwas breiterer, ungepflasterter Weg, wie Nancy bestürzt feststellte. Da kam ein Motorrad nicht viel schneller voran als ein Pferd.
    Noch etwas wurde ihr bewußt, während sie durch die Ortschaft stapften. Auf dem Motorrad hatte außer dem Fahrer nur noch eine Person Platz. Sie hatte eigentlich vorgehabt, zu dem Doppeldecker zurückzukehren und Lovesey zu holen, wenn sie einen Wagen bekommen konnte. Doch auf dem Motorrad konnte nur einer mitgenommen werden – außer der Besitzer war bereit, es zu verkaufen, dann könnte Lovesey es fahren und sie sich hinter ihn setzen. Damit könnten sie sogar bis Foynes fahren, dachte sie aufgeregt.
    Sie gingen zu einer Werkstatt, die am letzten Haus des Orts angebaut war – und Nancys Hoffnung schwand dahin. Das Motorrad lag in Einzelteile zerlegt auf dem Erdboden verstreut, und der Schmied arbeitete daran. »Verdammt!« brummte Nancy.
    Die Frau redete in Gälisch auf den Schmied ein. Leicht amüsiert blickte er Nancy an. Er war sehr jung und hatte das schwarze Haar und die blauen Augen der Iren, außerdem einen buschigen Schnurrbart. Er nickte verständnisvoll, dann sagte er zu Nancy: »Wo ist Ihr Flugzeug?«
    »Etwa einen Dreiviertelkilometer von hier. Verstehen Sie etwas von Flugzeugen?« fragte sie skeptisch.
    Er zuckte die Schultern. »Motoren sind Motoren.«
    Sie dachte, wenn er ein Motorrad zerlegen kann, konnte er vielleicht auch einen Flugzeugmotor reparieren.
    Doch da fuhr der Schmied schon fort: »Aber es hört sich an, als würde ich nicht mehr gebraucht.«
    Nancy runzelte die Stirn, dann hörte sie es auch: ein Flugzeuggeräusch. Konnte es die Tiger Moth sein? Sie rannte hinaus und spähte zum Himmel. Tatsächlich, die kleine gelbe Maschine flog tief über den Ort.
    Lovesey hatte sie repariert – und war losgeflogen, ohne auf sie zu warten!
    Ungläubig blickte sie hinauf. Wie konnte er ihr das antun? Er hatte sogar ihre Reisetasche im Flugzeug!
    Der Doppeldecker schwenkte über die Ortschaft, als wolle er sie verspotten. Sie drohte mit der Faust. Lovesey winkte ihr zu und zog die Maschine hoch.
    Sie blickte ihr nach. Der Schmied und die Kätnerin standen neben ihr. »Er fliegt ohne Sie weg«, stellte der Schmied fest.
    »Er ist ein herzloses Ungeheuer!«
    »Ihr Mann?«
    »Ganz gewiß nicht!«
    »Das ist vielleicht auch gut.«
    Nancy war regelrecht übel. Zwei Männer hatten sie heute betrogen. Stimmt etwas mit mir nicht? fragte sie sich.
    Nun konnte sie gleich aufgeben. Den Clipper würde sie nicht mehr erwischen. Peter würde die Firma an Nat Ridgeway verkaufen, und das war‘s dann.
    Das Flugzeug legte sich schräg und drehte. Lovesey schlug nun Kurs auf Foynes ein, nahm sie an. Er würde seine durchgebrannte Frau einholen. Nancy hoffte, daß sie sich weigern würde, zu ihm zurückzukehren.
    Unerwartet drehte das Flugzeug weiter. Als seine Nase auf die Ortschaft gerichtet war, legte es sich gerade. Was machte er jetzt?
    Es folgte der Linie der schmalen Straße und ging tiefer. Weshalb kam er zurück? Als das Flugzeug sich näherte, fragte sich Nancy, ob er landen würde. Stockte der Motor schon wieder?
    Die kleine Maschine setzte auf der Straße auf und rollte auf die drei Personen vor der Schmiede zu.
    Nancy wurde ganz schwach vor

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