Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Positionsbestimmungen.«
    »Eigentlich ist es ein Oktant, der nach dem Prinzip der Wasserwaage funktioniert«, sagte Jack.
    »Wie geht das?«
    Jack zeigte ihm das Instrument. »Die Blase hier zeigt an, wenn der Oktant waagrecht ist. Man wählt einen bestimmten Stern, beobachtet ihn durch den Spiegel und stellt den Spiegel ein, bis der Stern, am Horizont zu sein scheint. Hier liest man den Neigungswinkel des Spiegels ab und sieht in den Tafeln nach und findet so seine Position auf der Erdoberfläche.«
    »Das klingt einfach«, staunte Percy.
    »Theoretisch ist es das auch.« Jack lachte. »Ein Problem ist jedoch, daß wir möglicherweise den ganzen Weg durch Wolken fliegen und ich nicht einen einzigen Stern zu sehen bekomme.«
    »Aber wenn Sie doch wissen, wo Sie gestartet sind, und die Richtung einhalten, kann ja nichts schiefgehen.«
    »Das nennt man gissen. Doch man kann sich dabei irren, vor allem, wenn man Seitenwind hat.«
    »Läßt sich das nicht abschätzen?«
    »Wir können sogar mehr tun als abschätzen. In der Tragfläche gibt es eine kleine Falltür, durch die lasse ich eine Abwerfleuchte ins Wasser fallen und beobachte sie sorgfältig, während wir weiterfliegen. Wenn sie in gerader Linie mit dem Flugzeugschwanz bleibt, weiß ich, daß wir nicht abtreiben, scheint sie sich jedoch nach der einen oder anderen Seite zu bewegen, treiben wir ab.«
    »Das hört sich aber gar nicht genau an!«
    Wieder lachte Jack. »Ist es auch nicht. Wenn ich Pech habe, während des ganzen Flugs nicht einen Stern zu Gesicht bekomme und unsere Abdrift falsch abschätze, kann es schon sein, daß wir hundertfünfzig Kilometer und mehr vom Kurs abkommen.«
    »Und wenn das passiert?«
    »Finden wir es heraus, sobald wir in Reichweite eines Leuchtfeuers oder einer Funkstation gelangen, und dann korrigieren wir unseren Kurs.«
    Eddie beobachtete, wie Neugier und Verständnis sich auf dem intelligenten Gesicht des Jungen abzeichneten. Eines Tages, dachte er, erkläre ich meinem eigenen Kind diese Dinge. Das ließ ihn wiederum an Carol-Ann denken, und das war wie ein brennender Schmerz in seinem Herzen. Er würde sich besser fühlen, sobald dieser gesichtslose Mr. Luther an ihn herantrat. Und wenn er erst wußte, was die Gangster von ihm wollten, würde er endlich verstehen, weshalb sie diese Grausamkeit ausgerechnet ihm zufügten.
    »Darf ich in eine Tragfläche hineinschauen?« fragte Percy.
    »Aber ja«, antwortete Eddie. Er öffnete die Luke zum Steuerbordflügel. Das Dröhnen der gewaltigen Motoren klang gleich viel lauter, und der Geruch von heißem Öl schlug ihnen entgegen. In der Tragfläche befand sich ein niedriger Gang, nicht breiter als eine schmale Planke. Hinter jedem der zwei Motoren gab es eine Mechanikerplattform mit gerade genug Platz zum Aufrechtstehen, wenn man kein Riese war. Pan Americans Innenarchitekten waren nicht bis hierher vorgedrungen, und so blieb dieser Teil des Clippers eine rein funktionale Welt mit Streben und Nieten, Leitungen und Rohren. »So sind normalerweise die meisten Flugdecks!« rief Eddie.
    »Darf ich hineinsteigen?«
    Eddie schüttelte den Kopf und schloß die Luke. »Tut mir leid, aber der Zutritt ist Passagieren nicht gestattet.«
    »Ich zeige dir meine Beobachtungskuppel«, erbot sich Jack. Er nahm Percy durch die Tür hinten am Flugdeck mit, und Eddie kontrollierte die Anzeigen, die er in den letzten Minuten vernachlässigt hatte.
    Ben Thompson, der Funker, meldete den Zustandsbericht von Foynes. »Westwind, zweiundzwanzig Knoten, Kabbelwasser.«
    Einen Augenblick später erlosch an Eddies Bildschirm das Wort »Flug« und wurde durch »Landung« ersetzt. Er las seine Temperaturanzeigen und rief: »Motoren bereit zur Landung!« Dieser Check war notwendig, weil ein zu abruptes Drosseln den hochverdichteten Motoren schaden konnte.
    Eddie öffnete die Tür zum Heck. Zu beiden Seiten eines schmalen Ganges befanden sich Gepäckräume und über dem Gang eine Kup-
    pel, zu der man über eine Leiter gelangte. Percy stand auf der Leiter und spähte durch den Oktanten. Hinter den Gepäckräumen befand sich ein Raum, in den eigentlich Betten für Besatzungsmitglieder gehört hätten, aber er war nie eingerichtet worden. Die Freiwache benutzte lieber das erste Abteil. Hinter diesem leeren Raum war die Luke zum Schwanz, wo die Steuerleitungen verlieren. »Landung, Jack!« rief Eddie.
    »Du mußt jetzt zu deinem Platz zurückkehren, junger Mann«, sagte Jack.
    Eddie hatte das Gefühl, daß Percy

Weitere Kostenlose Bücher