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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gehört, daß mein Vater gegen das Bildermalen ist. Er liebt es wohl, daß die Großmutter Stickereien nach alten Mustern macht, aber darüber hinaus will er nichts sehen. Es hat die Verwaltung vor Jahren einen harten Kampf gekostet, bis er wohl oder übel die Erlaubnis gab, daß ich die Kunstschule besuche. Am liebsten hätte er mich versteckt; aber das geht heute nicht mehr so leicht wie ehedem. Ich habe nun malen gelernt; es ist meine Leidenschaft, aber es ist nicht eine Arbeit wie eine andere. Ich kann nicht alle Tage malen, so wie ich nun jeden Tag diese weißen Kaninchen zu füttern habe. Ich kann einfach nicht alle Tage träumen. Ich habe bisher drei gute Bilder geschaffen, die ich verkauft habe. ›Der Schild‹, ›Die Hände‹ und ›Der schwarze Stier‹. Nun will Frau Hawley ein Bild haben von einem bezwungenen Brama, aber jeder schwarze Stier senkt die Hörner gegen sie, verstehst du? Ich kann das doch nicht malen. Ich verkaufe mich nicht selbst. Ich tue es nicht.«
    Queenie schaute geradeaus, doch spürte sie, wie ihr Mann sie von der Seite ansah. »Ja, sprich nur weiter.«
    »Ich kann also jetzt nicht träumen und schon gar nicht im Auftrag. Ich muß aus mir selbst heraus und in etwas hinein, woran ich einen Halt habe… wo ein Gesetz ist, ein unausweichliches Gesetz – nicht ein Gesetz, wie sie es da machen, wo man nur den Wasserhahn aufzudrehen braucht – ein Gesetz der Prärie. Ich kann es nirgends anders als bei unseren Vätern finden. Ich muß noch einmal von vorn anfangen. Ganz von vorn. Ich werde unsere alten Tipi studieren und unsere Sterne, den mit vier, den mit fünf und den mit acht Spitzen. Ich kenne ihre alten Geheimnisse, die vier Winde aus den vier Weltecken, den Morgen und das Licht und die acht Winde. Ich muß auch die neuen Geheimnisse unserer Sterne ergründen, die Form und den Raum; die weißen Männer sprechen von Geometrie; davon verstehen sie aber nur das Äußere. Ich will das zusammenbringen. Dabei komme ich aus mir heraus, denn dabei ist das Geheimnis außer mir und auch das Gesetz. Ich werde das jetzt versuchen. Auch die Töpferarbeit hilft mir dabei weiter. Einen der Versuche gebe ich dann Frau Hawley für ihre Wände oder ihre Gardinen. Ich male natürlich nicht Kaninchen oder Präriehunde. Das war nur ein Spaß. Wie denkst du darüber?«
    »Du glaubst doch nicht etwa, daß ich bei meiner ›unglaublich mangelhaften Schulbildung‹ etwas von Kunst verstehe?«
    »Du sollst mir nicht wie ein Mitschüler antworten, Inya-he-yukan, denn was du mir da sagen könntest, das weiß ich alles selbst. Antworte mir als Indianer.«
    »Du hast gut gesprochen, Tashina.«
    »Nun wohl, dann fange ich heute schon mit einer Zeichnung an, und morgen müssen wir zum Drugstore in der Siedlung und Farben und Papier kaufen. Ich habe nicht mehr genug. Wenn Frau Hawley dann ein Muster auf Stoff übertragen haben will, wird sie den selbst zur Verfügung stellen, denke ich. Die Technik habe ich erlernt.«
    »Wie ist Frau Hawley auf dich verfallen?«
    »Ich war zum Lunch bei ihr, als ich auf den Superintendent wartete, um nach dir zu forschen.«
    Stonehorn schien etwas abzuschütteln.
    »Vielleicht könnte ich auch von der Schule durch Frau Holland einen Auftrag bekommen, für den Schulspeisesaal oder für den Sport- und Festsaal. Ich werde einmal fragen. Ich will nicht nur in die Schule gehen, ich will auch arbeiten, und wir müssen Geld haben für den Schecken.«
    »Und für einen eigenen Brunnen.«
    »Stonehorn, wo denkst du schon wieder hin! Wir und einen eigenen Brunnen!« Queenie hatte Tränen in den Augen und lächelte. Sie hätte am liebsten geschluchzt vor Freude über die wieder erwachende Willenskraft ihres Mannes.
    Die beiden gingen ins Haus zurück, und da Queenie ohne Tisch nicht arbeiten konnte, machte sich Stonehorn daran, erst einmal ein solches Möbel wiederherzustellen. Als er es fertig hatte, war er völlig erschöpft und warf sich auf das Bett. Er schlief sofort ein.
    Nach wenigen Stunden wurde er wieder wach. Auf dem Ofen duftete eine Kalbshaxe; Joe und Queenie aßen mit Heißhunger. Während Queenie abräumte, ging Joe zur Tür und horchte an einem Spalt. Auch Queenie vernahm in der völligen Stille der Prärienacht das Singen eines guten Motors von der Straße her aus Richtung Agentur. Stonehorn nahm eine Pistole an sich, seine Jacke darüber. Queenie wagte nichts zu sagen; sie wagte auch nicht zu seufzen. Sie dachte nur: Laß ihn vorbeifahren da drunten – Wakantanka oder

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