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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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flüchtete aus dem Haus. Sie floh den Hang hinauf und versteckte sich zwischen den Kiefern. Im Haus erlosch das Licht, sie hörte Schreien und Poltern.
    Allmählich wurde es ruhig.
    Queenie zitterte am ganzen Leib.
    Eine Stunde lang herrschte Stille und verbarg, was Queenie zu wissen fürchtete. Dann endlich sah sie den Schattenriß der Großmutter auftauchen. Die alte Frau winkte, und Queenie kehrte mit zögernden Schritten zurück. Noch bebend, stand sie auf der Schwelle. Sie fühlte Stiche in der Brust; das war das Herz.
    Queenie trat ein.
    Stonehorn lag auf dem Bett und richtete seine Augen auf die junge Frau. Die Augen glänzten im Licht einer Kerze, die die Großmutter angezündet hatte. Langsam setzte sich Queenie auf das andere Bett. Der Tisch war in Stücken, die Lampe in Scherben, das Ofenrohr auseinandergerissen.
    Die Großmutter stand in der Ecke vor den Jagdgewehren.
    »Hallo! Hast du Angst?« Das war die andere Stimme.
    »Es war dumm von mir, Joe.«
    »Das war’s. Du wirst es noch ein paarmal erleben müssen, wenn du durchaus hierbleiben willst. Geh lieber auf deine Kunstschule. Ich habe es dir früh genug geraten. Oder sorg dafür, daß Eivie mir Morphium gibt.«
    »Das tut er nicht. Du kommst darüber weg, Joe. In drei Monden.« Stonehorn sank kraftlos zurück auf die Decke; das Glühen in seinen Augen erlosch, aber aus der Asche stierte er noch auf seine Frau.
    Queenie nahm umständlich den Brief aus Canada aus der Brusttasche ihrer Bluse. Stonehorn beobachtete das scharf.
    »Aha, endlich. Ich habe schon die ganze Zeit darauf gewartet, was du noch aus deinem Zauberbeutel ziehen wirst.«
    Sie gab ihm den Brief. Er öffnete mit dem Stilett den Umschlag, entzifferte und las im Kerzenlicht vor. »Inya-he-yukan, ihr seid mir willkommen als Gäste, wann immer ihr kommt, und ihr mögt in meinem Tipi bleiben, solange ihr wollt. Inya-he-yukan.«
    Es schien, daß Stonehorn aus sich selbst herausgerissen wurde. Er stand mit einiger Mühe auf und legte den Brief in einen kleinen festen Kasten, den besten Kasten des Hauses, in dem sich auch die Munition befand.
    Queenie erhob sich ebenfalls und verwahrte ihre schwer erkämpften Bescheinigungen, die beschmutzt auf dem Boden umherfuhren. Den Rest der Nacht lag sie wieder neben ihrem Mann; sie fühlte seinen mageren Körper. Er berührte sie nicht, aber ihre Hände fanden sich.
    Am nächsten Tag standen alle etwas zu spät auf. So kam es, daß die zerstörte Stube noch nicht aufgeräumt war, als ein Wagen unter dem Nieselregen den Seitenweg heraufsteuerte. Vater Halkett kam. Er kam mit dem Wagen, an den sich für Queenie Erinnerungen knüpften. Vater Halkett mußte schon in der Nacht weggefahren sein, sonst hätte er so früh nicht kommen können. Seine Tochter begrüßte ihn und sah dabei, daß er auf dem Hintersitz eine große, mit einem Tuch überhängte Kiste geladen hatte. Der Vater schaute nicht zuerst zu dem Haus, in dem die Großmutter verschwunden war, die Türe hinter sich schließend, sondern er schaute nach der Pferdekoppel, in der Joe zwischen den Tieren stand.
    Dorthin lenkte er den Schritt; Queenie begleitete ihn.
    »Ihr habt ja noch alle!« rief Halkett, als er bei der Koppel stand.
    Joe kam über den Zaun. Er wollte sich möglichst wenig anmerken lassen, daß sein Kreuz steif war.
    »Mit solchen Pferden kannst du Geld machen«, meinte der Vater. »Wenn ihr Nachzucht habt.«
    »Queenies Stute ist trächtig.«
    Halkett wollte schon zum Wagen zurückgehen und winkte den beiden jungen Leuten, mit dahinzukommen.
    »Was wird nun mit deiner Schule, Queenie«, fragte er dabei. »Sie haben mit mir gesprochen deshalb.«
    »Ich mache die 12. Klasse hier in der Tagesschule bei Frau Holland.«
    »Bist du endlich vernünftig geworden! Die Kunstschule taugt nichts für unsere Kinder. Und eine Frau gehört zu ihrem Mann.« Er wandte sich an Stonehorn. »Joe, wie ist das? Braucht ihr unsere Großmutter noch? Meine Frau ist schwer krank geworden bei der Hitze von dem schlechten Wasser. Ich mußte sie ins Hospital bringen. Typhus, sagen sie.«
    »Nimm die Großmutter mit. Wir sind zu zweit hier.«
    »Gut. – Ich habe euch Kaninchen mitgebracht. Weiße, langhaarige sind es. Sie sollen bis zu acht Pfund schwer werden. Und ich habe in New City einen gefunden, der die Bälge gut bezahlt.«
    »Unser Ökonomiedezernent Haverman wird sich ja freuen, wenn er wiederkommt«, sagte Stonehorn. »Er wollte schon immer, daß ausgerechnet ich Kaninchen züchte.«
    Vater Halkett

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