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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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eingegangen sein könne, und es wurde ihr tatsächlich ein Brief ausgehändigt. Er war aber nicht an sie, sondern an ihren Mann gerichtet und trug kanadische Marken mit dem Poststempel. ›Wood Hill‹. Sie steckte ihn in die große Brusttasche ihrer Bluse, knöpfte zu und fuhr mit hundert Meilen, die ihr Stonehorn erlaubt und die die Polizei in der gegebenen Situation wohl zulassen mußte, das Tal entlang. Sie konnte es nicht mehr erwarten, heimzukehren.
    Auf der Seite der weißen Berge hatte das Feuer noch einige Verheerungen angerichtet, auch auf dem Gelände der Booth-Ranch, aber die Straße hatte es dank dem Eingreifen der Feuerwehr und der Löschtrupps nicht übersprungen.
    Einige der Brandbekämpfungstrupps biwakierten im Tal, offenbar um abzuwarten, bis alle Gefahr vorüber schien. Auch ein Löschzug war noch dageblieben. Queenie hatte die Geschwindigkeit herabgesetzt, um niemanden zu gefährden.
    Das Haus der Kings stand unbeschädigt am Hang, und der sanfte Abendregen rieselte darauf herab.
    Queenie fuhr den Seitenweg hinauf, dessen Tücken ihr schon fast im Traum bekannt waren. Sie hielt vor dem Haus, ließ die Großmutter aussteigen und schloß den Wagen. Sie ging auf die Seite des Hauses, von der aus man den Blick zur Pferdekoppel hatte. Alle waren sie da, der Schecke, der Dunkelbraune, die beiden Stuten.
    Sie schluckte und ging in das Haus hinein.
    Auf dem Holzgestell ohne Decken lag Stonehorn.
    Die Frauen packten aus und brachten alles wieder an seinen Platz, Kleidung und Decken. Stonehorn hatte sich erhoben. Er konnte nicht verbergen, daß er aus der Hüfte heraus hinkte. »Der scheckige Teufel hat mir einen Tanz gemacht«, sagte er, halb sich entschuldigend. »Marys Schweine sind ins Feuer gelaufen, schade um den Braten. Aber sonst alles o. k.« Joe hatte so viele Jahre nur englisch gesprochen, daß er auch in ein in der Stammessprache geführtes Gespräch manchmal einen englischen Ausdruck einflocht.
    Die Großmutter steckte die Petroleumlampe an, und man aß, was Queenie mitgebracht hatte. Dann zeigte Queenie ihrem Mann den Antrag und die Genehmigungsunterschriften für den Besuch der Tagesschule, 12. Klasse, auf der Reservation. Sie tat es mit einem gewissen Bangen. Er studierte ziemlich lange und warf ihr das Blatt dann wieder hin.
    »Ich hatte etwas anderes von dir erwartet, Queenie, aber wenn du dich nun hinter die Agentur gesteckt hast – schön. Die Herren haben natürlich mehr über meine Frau zu bestimmen als ich. Bleib also da als meine Krankenschwester und meine Aufsicht. Solange ich das aushalte und solange du das aushältst. – Hast du Zigaretten mitgebracht?«
    Sie legte ihm zwei Schachteln hin. Er betrachtete sie geringschätzig und steckte sich eine Zigarette an, ohne Geschmack daran zu finden.
    »Ich wollte dir die gleichen mitbringen, die du zuletzt hier geraucht hast«, erklärte Queenie schüchtern. »Aber sie führen sie nicht in der Siedlung«
    Stonehorn platzte zu einem kurzen Lachen heraus. »Du hast tatsächlich solche Zigaretten verlangt? Hast du etwa die leere Schachtel, die ich nicht mehr gefunden habe?«
    »Ja. Sind sie so teuer – weil du lachst?«
    Stonehorn lachte nochmals. »Unbezahlbar. Meine Liebe, die erhält man nur beim geheimen Rauschgifthandel und bei einigen besonderen Dienststellen zu besonderen Zwecken. Was haben sie denn in der Siedlung für Gesichter gezogen?«
    »Sie haben sich geschämt, daß sie einen Kundenwunsch nicht erfüllen konnten.«
    »Leben wie die Präriehündchen in einem Tierpark. Dein Glück, Queenie, sonst hätten sie uns noch wegen Verdacht des Rauchgifthandels verhaften lassen, und die Leute, die mir diese letzte Packung mitgegeben haben, sind tabu. Misch dich nie mehr in Sachen, die du nicht verstehst.« Plötzlich wechselte Stonehorns Ausdruck. »Wenn du wieder hinunterfährst, kannst du Eivie sagen, ich komme zu ihm – zu einer Morphiumspritze. Ich habe Schmerzen genug von dem Hufschlag ins Kreuz. Ein bucking horse ist immer unberechenbar.«
    »Joe – ich fürchte…«
    Stonehorn stand auf. Sein Gesicht wurde unheimlich. Er schrie: »Was fürchtest du? – Na – los! Was fürchtest du?!«
    Queenie erschrak tief. »Es ist Eivies Sache. Du kannst ja zu ihm hin… gehen…«
    Stonehorn stieß den Tisch mit dem Fuß um. Queenie fuhr mit einem Schrei in die Höhe. »Stoneh–«
    »Halt den Mund! Holst du mir die Spritze – morgen?« Er stand vor ihr, das Stilett in der Hand.
    »Joe…« Die Angst überwältigte sie, und sie

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