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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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der eine trotz der Nässe noch schwelte.
    Eivie stieg ab und lief umher. Stonehorn war zu Pferd geblieben und hielt die Stute am Zügel. Er sah zu, wie Eivie suchte.
    Der Arzt kam zurück. »Nichts. Auch keine verkohlten Leichen. Vielleicht haben sie sich noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht.« Er wischte sich über die Stirn. Fast körperlich fühlte er die Ironie seines Begleiters, der stumm auf dem Schecken saß.
    »Was machen wir jetzt, Joe?«
    »Das bestimmt der Gesundheitsdienst. Ich bin nur der Scout. Ein Dollar fünfundzwanzig für die Stunde übrigens.«
    »Der Mindestlohn für Ungelernte. Ist das im gegebenen Falle nicht zuwenig?« Eivie war aufgebracht; er konnte sich selbst nicht daran hindern. Was für ein Ton von diesem Burschen, dem er immer wieder geholfen hatte!
    »Genug für Volk mit unglaublich mangelhafter Schulbildung, Doc. Aber es kommen fünfundfünfzig Cent pro Stunde für die Pferde dazu.«
    »Können wir noch etwas tun, außer zurückreiten?« Eivie war sehr gereizt.
    Joe sprang ab, pflockte seinen Schecken an, ließ die Stute einfach frei und verschwand im Dunkel.
    Eivie blieb bei den Pferden, kratzte seinen Haarboden und fing dann an, auf und ab zu gehen. Er war hundemüde. Ein arbeitsreicher Tag lag hinter ihm, dazu eine halbe Nacht mit ungewohnten Anstrengungen. Vor sich aber hatte er den Morgen mit den schwierigen Operationen. Hoffentlich kam der unberechenbare Joe überhaupt zurück. Die Pferde waren immerhin ein Pfand dafür!
    Eivie brauchte nicht so lange zu warten, wie er gefürchtet hatte. Stonehorn erschien wieder. Eine Frau mit zwei Kindern lief hinter ihm her in jener überhasteten, stolpernden Art, in der kurzbeinige Leute mit langbeinigen Schritt zu halten trachten. Joe trug einen Jungen auf dem Arm, behutsam wie ein Arzt oder Vater. Eivie konnte die Gruppe im Schein seiner Taschenlampe deutlich erkennen.
    Er empfand einige Erleichterung.
    Die Gruppe erreichte den Arzt und die Pferde. Die Frau brach zusammen, als sie sich am Ziel sah. Der Bub war nicht bei sich. Stonehorn legte ihn vorsichtig zu Boden, zog die eigene Jacke aus und schob sie ihm unter Kopf und Schulter. Die beiden anderen Kinder hockten sich zur Erde. Eivie war mit der Frau beschäftigt.
    »Erschöpfungszustand«, sagte er schließlich. »Wo haben Sie sie gefunden?«
    »Beim Gelben Grund in der Sandgrube. Dorthin hatten sie sich vor dem Feuer gerettet; das war zu vermuten. Dann kamen sie nicht weg – der kleine Boy hatte mehrere Anfälle, und schließlich waren sie erschöpft.«
    »Wasser müßte man haben.«
    »Ja, sie sind halb vertrocknet.« Joe holte eine Feldflasche aus der Satteltasche, und als es Eivie gelungen war, die Frau wieder zu Bewußtsein zu bringen, gab Joe ihr und den beiden Kindern zu trinken. Eivie bemühte sich um den Jungen. »Um den steht es schlecht. Ich muß ihn mitnehmen ins Hospital. Was machen wir mit der Frau und den beiden Gören?«
    »Bezahlt der Gesundheitsdienst eine Kalbskeule?«
    »Auch das, wenn Sie eine dabeihaben.«
    Joe packte aus.
    »Sie denken auch an alles.«
    »Immer nur an das Primitive, Doc.«
    »Wen oder was wollen Sie eigentlich veräppeln, Joe? Mich?«
    »Die Sippe, Mister Eivie.«
    Eliza Bighorn hatte die Kalbskeule unter dem Arm und erzählte Stonehorn in ihrer Stammessprache, daß sie mit ihren Kindern hierbleiben und auf ein neues Haus sowie auf weitere Wohlfahrtsunterstützung warten wollte, auf die sie als Reservationsindianerin Anspruch hatte.
    »Du solltest lieber etwas arbeiten«, antwortete Joe. »Was sitzt du hier herum mit den Kindern! Den Jungen nehmen wir jetzt mit.«
    Die Frau schaute Stonehorn böse an, sagte aber nichts weiter.
    Stonehorn nahm den Jungen, in die Jacke gewickelt, mit auf seinen Schecken, wartete, bis sich Eivie auf der Stute eingerichtet hatte, und ging dann zu einem Galopp über, der Eivie durch und durch schüttelte. Mit Angstzuständen schaute der Arzt auf die näherkommende Bergkette, die es auch auf dem Rückweg zu überwinden galt. Sobald die Pferde wieder an weglosen Hängen kletterten, klammerte er sich wie auf dem Herweg an den Sattelknopf. Den Paß überwand er aber diesmal schon, ohne vom Pferd zu fallen.
    Endlich gelangten die beiden zur Talstraße.
    »Steigen Sie ab und warten Sie«, bestimmte Stonehorn. »Ich bringe Ihnen den Wagen.«
    Eivie war froh, daß er von dem Rücken der Stute herunterkam, und setzte sich völlig abgeschlagen auf einen Stein. Er übernahm das Kind. Dem durchnäßten Joe wollte er die Jacke

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