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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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wieder zurück gelangen müssen. Sie hatte den Weg bis zum Schulbus zu Fuß gemacht und sich des Morgens bei sanftem Herbstwetter an diesem langen Weg gefreut. Der Wind spielte mit dem gelben Gras, die Sonne schien lind. Ein Fasan schlüpfte durch die Büsche. In der Luft, hoch oben, kreiste ein Adler. Queenie erreichte den Schulbus, hatte einen angenehmen Tag, denn auch Teacock machte ihr nicht die geringsten Schwierigkeiten, sondern behandelte sie eher mit der Freundlichkeit, mit der man einer erhofften Fürsprecherin begegnet, und so konnte sie sich nachmittags auf den Heimweg machen, erfüllt nur von der Vorfreude darauf, daß Stonehorn bei Superintendent und Stammesrat seinen Willen würde durchgesetzt haben. Queenie war zuversichtlich.
    Während sie von der Bushaltestelle durch die Wiesen heimwärts schlenderte – die Straße zu laufen, verspürte sie keine Lust –, sang sie leise vor sich hin und dachte an ihren Mann. Sie machte den Fußweg auch darum gern, weil sie sich dabei erinnern konnte, daß er diesen Weg einst täglich hatte machen sollen, nicht nur diesen, sondern auch die lange Busstrecke noch dazu. Es hatte sich doch manches zum Besseren gewendet für manche Indianerkinder. Noch nicht für alle, aber der Anfang war da.
    Queenie hatte Zeit, und so ging sie nicht direkt zum Haus, sondern erlaubte sich noch den kleinen Umweg zu der Kieferngruppe, wo sie mit Großmutter und Stonehorn gesessen und in der Asche geröstetes Fleisch gegessen hatte. Sie schaute von da hinunter zu den Pferden, zum Haus und… und zur Straße unten im Tal. Es näherte sich der Studebaker, der inzwischen wieder das einzige Auto der Booths geworden war. Am Steuer saß Harold. Sonst befand sich niemand in dem Wagen. Harold schien nicht ganz sicher zu fahren; der Wagen schlängelte sich auf der rechten Seite der Fahrbahn dahin. Queenies Laune war verdorben. Sie sprang rasch den Hang hinunter und ging ins Haus, um die Abendmahlzeit für Stonehorn und sich selbst vorzubereiten. Sie hatte frische Fische mitgebracht. Die Hausmeistersfamilie der Schule hatte Fische bekommen und Queenie einige davon für billiges Geld verkauft. Während Queenie bei offener Tür die Fische putzte und dann die Abfälle den gierigen Hunden hinwarf, war sie innerlich stets aufmerksam, denn die Vorstellung, daß sie allein sein könne, wenn Harold irgend etwas Böses unternehmen wollte, verfolgte sie seit Tagen. Jetzt war es noch hell. Familie Booth war drunten beim Haus, und es schien nicht eben wahrscheinlich, daß Harold diese Stunde vor Abend benutzen könne, um etwas gegen das Haus des Nachbarn zu unternehmen, den er verderben wollte. Doch hatte Queenies Angstgefühl nicht nur mit Vernunft zu tun. Es war instinktiv, entsprang den wesensmäßigen Gegensätzen und war von augenblicklichen äußeren Umständen nicht unbedingt abhängig.
    Die Sonne sank und umglänzte das Land mit ihrem Abschied. Queenie hielt Ausschau und entdeckte Stonehorn, der zu Pferd zurückkam. Ein Reiter war eine seltene Erscheinung auf den Autostraßen, ein altes Auto billiger und schneller als ein Pferd, und die Reiter kamen zumeist nur aus den Reihen der Hirten zu Pferd und der Züchter der bucking horses. Queenie freute sich sehr und setzte die Fische auf. Sie hörte ihren Mann draußen ankommen und lauschte darauf, wie er den Dunkelbraunen zur Koppel brachte. Der Schecke empfing den Reiter eifersüchtig, schnaubend und stampfend. Stonehorn mußte den Dunkelbraunen offenbar außerhalb der Koppel festmachen, um einen Kampf der Hengste zu vermeiden. Als er das Haus betrat, lachte ihm Queenie entgegen, und er zog sie an sich. Aber es war etwas Fremdes und Drohendes an ihm, in seinem Gehaben, in seinen hastigen Bewegungen, und sie erschreckte sich. Er nahm einen Fisch, verschlang ihn, wie er war, halb angebraten, mit Gräten, riß dann die übrige Mahlzeit vom Ofen, drückte sie Queenie in die Hand und schob die junge Frau damit aus dem Haus hinaus. Seine Augen flackerten. »Bleib draußen«, sagte er halb schreiend, halb erstickt. »Es kommt noch einmal über mich. Ich muß versuchen zu schlafen… ich muß mich zwingen…«
    Da sie nicht schnell genug die Schwelle räumte, stieß er sie weg, so daß sie hinausstolperte und fast gefallen wäre. Er riß die Tür hinter sich zu, schloß ab, und als sie, die Fische noch in der Hand, verzweifelt an der Tür lauschte, hörte sie nur, wie er sich auf sein Lager warf und mit röchelndem Atem dort zu liegen schien. Sie lehnte sich an die

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