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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ließ den Blick zu Harold Booth spielen.
    Joe King trug seine Tasse zu dem Stehtisch am Fenster und stellte sie der Coca-Cola-Flasche Harolds gegenüber auf den Tisch. Harold äugte böse. Die anderen Gäste verließen ihre Plätze und versammelten sich im Halbrund um den Stehtisch am Fenster. Es waren einige jüngere Leute darunter, die meisten aber waren zwischen dreißig und vierzig. Sie versprachen sich eine Abwechslung und hatten keine Angst vor einer Schlägerei.
    »Das kostet wieder eine Scheibe«, sagte Dave zu Jimmy im Rathaus. »Laß uns lieber hinübergehen, ehe es neuen Ärger gibt.«
    »Nein. Mag sich doch die Polizei drum kümmern, Dave.«
    Aber Dave De Corby ließ Jimmy stehen. Er suchte sich Frank Morning Star, stellvertretenden Häuptling und Ratsmann für Kultur, der auch Soldat gewesen war, und begab sich mit diesem zusammen in das Cafe. Die Gäste schenkten den eintretenden beiden Ratsmännern zunächst nicht viel Beachtung, denn die Situation wurde spannend.
    Stonehorn zog eine Münze aus der Tasche, warf sie der Blonden zu und rief: »Für die Flasche Coca-Cola!« Bei seinen Worten nahm er Harold die Flasche mit einem überraschenden Griff weg und stellte sie auf seine Seite.
    »Ich habe für dich bezahlt«, sagte er dabei, »damit du sofort gehen kannst. Für uns beide ist nicht Platz in einer Stube; ich will aber hier meinen Kaffee trinken. Geh unterdessen hinüber aufs Gericht und gib bei Crazy Eagle zu Protokoll, daß du vor sieben Jahren Teacocks Geld zwischen meine Hefte geschoben hast, um mich zum Dieb zu stempeln. Auf dem Gericht liegt auch dein Schießprügel, mit dem du bei mir durchs Fenster schießen wolltest. Ich habe ihn dort abgegeben. Ich habe gesprochen. Verschwinde!«
    Die Männer, die das groteske Gespräch mit anhörten, lächelten unschlüssig zwischen Erstaunen und Besorgnis.
    Harold war nicht fähig, klar zu denken. Es schaukelte alles um ihn. Überdeutlich sah er nur die schwarzen Augen, die sich auf ihn gerichtet hatten, und er fühlte, daß er keine Kraft dagegen besaß. Er brüllte auf wie ein in die Enge getriebener Stier und wollte sich der Flasche wieder bemächtigen, um sie als Waffe zu gebrauchen. Aber Stonehorn war unter dem Tisch durchgeglitten und packte Harolds Arme von hinten mit dem verrenkenden Griff, der den anderen zwang, zu gehorchen oder den Arm zu brechen. Er drängte Booth aus der Tür und gab ihn dann frei.
    Harold machte sofort kehrt und dachte wieder durch die Tür einzudringen.
    Dort aber stand Stonehorn. Mit der Haltlosigkeit des halb Betrunkenen hielt Booth mitten im Angriff inne, machte eine Handbewegung, als werfe er seine eigenen Absichten weg, und trottete fort. Stonehorn ging von der Tür zu dem Stehtisch zurück, verschenkte die Flasche Coca-Cola und trank seinen Kaffee aus.
    Frank und Dave kamen an seinen Tisch.
    »Hast du Beweise, Joe?«
    »Er soll endlich aufs Gericht gehen und wegen Beleidigung klagen, dann wird sich das ja zeigen.«
    Die beiden Ratsmänner schlürften auch die geschmacklose braune Kaffeebrühe. »Kommst du mit uns, Joe?«
    »Wozu?«
    »Wegen des Brunnens.«
    »Ja.«
    Joe King saß vor dem Stammesrat. Er saß vor President Jimmy, dessen Nacken auch jetzt noch ein wenig gebeugt blieb, als fürchte er sich davor, seine breite und große Gestalt in den engen Räumen ganz aufzurichten; er saß vor Dave De Corby und Frank Morning Star, die Soldaten gewesen waren und Europa gesehen hatten, und vor dem älteren Bill Temple. Er saß vor den in Öl auf Leder gemalten Bildern an der Wand des Beratungszimmers, vor froschgrüner Prärie, kalkweißen Birkenstämmchen und rabenschwarzen Büffeln. Seine Stimmung war gespannt und mißtrauisch.
    »Er will durchaus einen Brunnen haben«, erklärte Jimmy allen Anwesenden. »Der Superintendent hat uns zur Stellungnahme aufgefordert.«
    »Das ist nicht mein Fall«, sagte Bill Temple. »Er hat eine Ranch, keine Schule.« Temple bearbeitete im Rahmen des Stammesrates die Schulangelegenheiten. Eve Bilkins, der in der Agenturverwaltung das gleiche Ressort anvertraut war, hatte als seine Quasi-Vorgesetzte zur strengen Einhaltung der Ressortgrenzen erzogen.
    »Mein Gebiet ist es leider auch nicht. Brunnen gehören nach Ansicht der weißen Männer nicht zur Kultur, obgleich ich nicht sehe, wie wir ohne Brunnen zu Kultur kommen wollen.« Das sagte Frank Morning Star. »Aber es gibt noch ein paar andere Sachen, über die ich gern mit dir sprechen würde, Joe.«
    »Brunnen sind Gesundheitsdienst«,

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