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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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er gegen das Haus torkelte, stieß sie von hinten ihr Messer durch seine Hand und nagelte sie auf diese Weise an der Balkenwand fest.
    Er schrie auf und brüllte langanhaltend.
    Queenie hoffte, daß Stonehorn dadurch ganz wach werden würde, aber sein Stöhnen war wieder verstummt, und es rührte sich nichts im Hause.
    Die junge Frau rannte um die Blockhütte herum und flüchtete zu der Straße hinunter. Als sie den Straßenrand erreicht hatte, machte sie halt.
    Im Haus des Isaac Booth jenseits der Straße war es dunkel und still. Vielleicht war man erwacht, aber sie dachten wohl: Ach, jetzt ist da droben, da drüben wieder einmal einer betrunken… die arme Frau… Und Queenie schämte sich nun doch, diese Familie zu Hilfe zu rufen.
    Queenie hatte Angst. Wenn es dem betrunkenen Harold gelang, das Messer aus seiner Hand zu ziehen, so konnte er sie verfolgen und damit auf sie losgehen. Sie mußte sich verstecken. Oder sie mußte Hilfe haben. Auf einmal fiel ihr der gescheckte Hengst ein. Sie hetzte wieder hinauf, nicht geradewegs zu ihrem Haus, sondern seitlich und im Bogen zu der Pferdekoppel. Sie konnte Harold Booth jetzt schon sehen. Er hatte mit der Linken das Messer aus seiner Rechten gezogen. Die verletzte Hand blutete. Er brüllte noch immer, aber mehr vor sich hin als in die Gegend, und Queenie erreichte die Koppel, ohne daß er sie bemerkte. Sie nahm sich nicht die Zeit, Stangen herauszuziehen, sondern schlüpfte durch den Zaun zu den Pferden hinein und schwang sich auf den ungezäumten Hengst, der sehr unruhig war, und er setzte und kletterte mit ihr über den Zaun wie ein tolles Wildpferd. Sie wäre beinahe gestürzt, denn der halb mißlungene und endlich gelungene Sprung brachte den geschmeidigen Pferdekörper in unerwartete, für den Reiter gefährliche Haltungen, und sie hatte ihn nicht beabsichtigt, noch überhaupt für möglich gehalten; der Hengst war gewohnt, gefährliche Wege zu nehmen, niedrige Hindernisse zu überspringen, zu galoppieren, einem Lasso zu entgehen, anzugreifen und zu bocken, doch hatte er nicht gelernt, über einen Zaun zu kommen. Aber nun, da das Tier mit Entschlußkraft, Intelligenz und Geschick das Unwahrscheinliche möglich gemacht hatte, war Queenie froh. Solange sie dieses Pferd unter sich hatte, vermochte kein Harold Booth sie einzuholen. Sie dachte, mit dem Hengst wegzugaloppieren, aber sie wurde über das Tier, das sie nur an der Mähne fassen konnte, nicht Herr, und der Hengst hatte sich in den Kopf gesetzt, den fremden Mann zu vertreiben. Er ging auf ihn los wie auf einen fremden Hengst, und Booth konnte froh sein, daß die Füße ihn noch trugen. Das Messer entfiel ihm. Wenn Queenie den Schecken nicht halbwegs abgedrängt hätte, wäre Harold seines Lebens nicht mehr sicher gewesen. Booth rannte hinunter zur Straße und flüchtete sich auf seine Ranch, und Queenie sah noch, daß er in den leeren Schweinestall kroch. Sie ritt auf dem Hengst umher. Der Schecke war glücklich, der Koppel entkommen zu sein, und schwärmte mit seiner jungen Reiterin dahin und dorthin. Immer, wenn sie glaubte, ihn überlistet und endgültig zur Koppel zurückgebracht zu haben, brach er im letzten Augenblick wieder aus. Die Koppel war geschlossen und das Tier nicht aufgezäumt. Der Hengst wieherte und zog die Lippen hoch, und Queenie wußte, daß er sie auslachte und sich mehr freute, als wohl je in seinem Leben. Sie hätte aus einer Reaktion ihrer überspannten Nerven am liebsten mitgelacht, doch tagte es schon, und sie dachte daran, daß sie nach dieser merkwürdigen Nacht zur Schule zu gehen hatte.
    Es rührte sich im Haus, und Stonehorn erschien.
    Von der Schwelle der geöffneten Tür verfolgte er, die Hände in den Hosentaschen, die Reitkünste seiner jungen Frau auf Bronc sattellos, ungezäumt, und nachdem er beobachtet hatte, daß sie den Hengst nicht zur Koppel bringen konnte, öffnete er diese erst, dann sprang er hinter Queenie auf den Hengst, ließ sie heruntergleiten und ritt das Tier in die Koppel. Er schloß sorgfältig, schaute sich um, entdeckte den Eimer am Baum, auch das blutige Messer und die Fußspuren eines Mannes im Gras und fragte:
    »Was hat es denn gegeben?«
    Queenie wurde es nachträglich elend. Joe trug seine Frau auf das Bett und machte Feuer im Ofen.
    Es dauerte ein paar Minuten, bis Queenie sprechen und berichten konnte.
    »Es ist meine Schuld«, sagte er, als er alles erfahren hatte, »aber es wird nun nicht mehr oft vorkommen. Ich war meiner nicht sicher.

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