Nacht über der Prärie
sollen denn die Dörfer ohne Brunnen sagen, Sir, wenn wir einer einzigen Ranch, die zudem einen Brunnennachbar hat, bewilligen, was das Dorf nicht bekommt!«
»Wir werden hören, was sie sagen, Haverman. King hat jedenfalls bereits etwas gesagt, und zwar, wie mir scheint, nichts durchaus Unvernünftiges. Ich bitte also, den Antrag mit dem Stammesrat zusammen zu überprüfen und mir dann zu berichten. – Sonst noch etwas? – Nein? – Ich danke.«
Jimmy White Horse fühlte sich diesmal wichtiger und gewichtiger beim Verlassen der Sitzung, als das sonst der Fall gewesen war. Ein Stammesmitglied hatte selbständig Vorschläge gemacht, die von dem Superintendent als vernünftig bezeichnet wurden!
Jimmy ging in das kleine Stammesrathaus hinüber und suchte Dave De Corby auf, der im Exekutivausschuß des Stammesrates als eines der fünf ständig amtierenden Mitglieder Wirtschaftsfragen bearbeitete.
»Dave!«
»Ja.«
»Die Booths haben doch einen Brunnen?«
»Ja.«
»Die Kings haben keinen.«
»Nein.«
»Wie ist denn das mit dem Brunnen von Booth?«
»Wenn Wasser da ist, reicht er auch für zwei.«
»Für die Booths und für die Kings?«
»Für zwei, habe ich gesagt. Ich habe nicht gesagt, für die Booths und für die Kings.«
»Hm.« Jimmy dachte nach. »Also nicht für die Booths und für die Kings?«
»Nein.«
»Aber es ist doch immer gegangen.«
»Ja. Solange die Kings nicht die bucking horses hatten, und Joe nicht verheiratet und nicht zu Hause war.«
»Nicht zu Hause war und nicht die bucking horses hatte. Aber er hat sie doch durchgebracht durch die Hitze und durch das Feuer. Sagen sie. Ohne eigenen Brunnen.«
»Hat er.«
»Hm. Er hat einen Antrag gestellt. An den Superintendent direkt.«
»Er tut immer, als ob wir nicht da seien.«
»Ja. Er macht alles mit den Weißen. Einen eigenen Brunnen will er haben.«
»Der Stammesrat gräbt keine Brunnen. Das macht der Gesundheitsdienst. Wir haben kein Geld.«
»Wir haben kein Geld. Aber der Superintendent hat das an uns verwiesen.«
»Dann muß King eben zu uns kommen.«
»Aber wir haben kein Geld. Wir können das nur befürworten.«
»Einen eigenen Brunnen für King?«
»Ja. – Hier ist erst einmal der Antrag.«
Dave De Corby studierte. »Er will ja selbst etwas bezahlen.«
»Ja.«
»Weißt du schon, Jimmy, wie es bei Booth jetzt zugeht?«
»Nein, Dave. Weiß nichts.«.
»Dann geh mal hinüber in das Cafe. Da kannst du was hören. Da sitzt Harold.«
»Beim Kaffee?«
»Beim Saufen ja nun nicht, weil es im Cafe keinen Brandy gibt. Aber vielleicht hat er schon gesoffen, ehe er hinging. Ich war vorhin drüben. Er stinkt nach Brandy. Er soll sich so nicht öffentlich zeigen, noch dazu hier in der Agentur. Wir bekommen nichts als Ärger.«
»Seit wann trinkt denn Harold? Er war doch früher ein ordentlicher Mensch.«
»Das blonde Weib hat ihn verdorben. Es trampt keiner ungestraft. Da bleibt immer was hängen.«
»Ausgerechnet Harold Booth.« Jimmy wurde elegisch. »Sollen wir ihn heimbringen, ehe es Ärger gibt?«
»Es scheint noch alles drüben ruhig. Laß. Wir mischen uns am besten gar nicht ein.«
Daves Arbeitsraum hatte ein Fenster, das zur Straße ging. Man konnte das Cafe gegenüber beobachten. Es war eine Bretterbude mit großen, geflickten Scheiben, eingerichtet mit Stehtischen, ein paar kleinen Tischen mit Stühlen und einem Büfett. Am Büfett bediente eine Weiße. Sie hatte einen blondierten Wuschelkopf; die Kleidung konnte man weder als schmutzig noch als sauber bezeichnen. Die Gäste waren ausschließlich Männer, alles Indianer. Die Agenturangestellten gingen nicht in dieses Cafe. Booth hatte eine Flasche Coca-Cola auf einen Stehtisch beim Fenster gestellt und rauchte.
Auf dem Vorplatz des Stammesrathauses erschien eine lange Gestalt – niemand wußte, wo sie hergekommen sein konnte – und ging mit langsamen Schritten über den Fahrdamm zu dem Cafe hinüber.
Jimmy beobachtete diesen Vorgang. »Heilige Maria, jetzt werden die sich wieder schlagen.«
Dave blieb an seinem Schreibtisch sitzen und schaute von dort aus hinüber zu dem Schauplatz zu erwartender unangenehmer Ereignisse.
»Stonehorn muß immer herausfordern. Er kann es nicht lassen.«
Der Genannte war in das Cafe eingetreten. Er holte sich am Büfett eine Tasse Kaffee. Die übrigen Gäste verfolgten ihn mit ihren Blicken. Die Gespräche verstummten; die Zigaretten wurden nur eben noch in Gang gehalten. Die Büfettblondine verkaufte eine Rolle Kaugummi und
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