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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nicht so, wie Joe sie hineingeschoben hatte. Auch der dunkelbraune Hengst, der außerhalb der Koppel angepflockt gewesen war, befand sich nicht an seinem Platz. Es war nur noch das Loch zu sehen, in dem der Pflock gesteckt hatte. Joe hielt und forschte ringsum mit den Augen. Mary und der Junge gesellten sich zu ihm. Da keiner ein entlaufenes Tier entdecken konnte, betrachteten alle die Spuren im Gras.
    »Es hat einer aufgemacht«, sagte Joe.
    Mary nickte. In Gras und Boden war zu sehen, daß mehrere Pferde mit kurzen, leichten Sätzen über ein oder zwei untere Verschlußstangen weggesetzt haben. Sie schienen sich dann zerstreut zu haben. Ihre Fährten zu suchen kostete viel Zeit. Stonehorn wollte sich daher zunächst von einem erhöhten Punkt Überblick verschaffen. Er trieb sein Tier den Hang weiter hinauf.
    Bei der Kieferngruppe, bei der er das Wetterschutzdach für den Winter gebaut hatte, entdeckte er den dunkelbraunen Hengst. Der Dunkelbraune schleppte Strick und Pflock mit und bewegte sich nur langsam. Er schien beim Laufen Schmerzen zu haben. Als Stonehorn das Tier anrief, spitzte es die Ohren und machte halt. Joe sah, daß es verletzt war. Es hatte eine blutende Wunde am Hals, beim Mähnenansatz, und es hinkte auf dem linken Hinterbein. Es war ein leichtes, den Dunkelbraunen einzufangen, da er nicht weiter weglaufen wollte und Joe nur den Strick zu fassen brauchte. In der Nähe erkannte er, daß die Wunde eine üble Bißwunde war. Er vermutete, daß die Hengste, die sich außerhalb der Koppel getroffen hatten, aneinandergeraten waren. Vorsichtig leitete er das verletzte Tier zurück und brachte es in die Koppel. Mary war dort. Der Bub ritt auf der Höhe des Hangs umher. Joe und Mary schauten zu ihm hinauf, denn er gab jetzt Zeichen. Sie verstanden bald. Auf der Talstraße, in Richtung Agentur, hatte er eine Stute entdeckt.
    Alle machten sich auf, um diese einzufangen. Der Bub wurde angewiesen, geradenwegs zur Straße hinunterzureiten und dort auf Posten zu gehen. Joe und Mary ritten quer über den Hang, um den Ausreißer unten nicht vorzeitig scheu zu machen. Die Stute, die sie bald sehen konnten, trabte im Tal ein Stück, dann machte sie halt und suchte sich Gräser am Wegrand. Joe und Mary verhielten sich still. Es dauerte eine Weile, bis Joe die Stute überholt hatte. Mary war absichtlich etwas zurückgeblieben. Beide lenkten nun auf ein Zeichen Joes hin abwärts in der Absicht, die Stute zwischen sich zu bekommen. Nach der Seite der Booth-Ranch konnte sie nicht flüchten, denn das ganze Gelände war mit einem Zaun umgrenzt. Blieb die Straße in beiden Richtungen, die ihr abgeschnitten werden sollte, und der Hang auf der Seite des Kingschen Hauses. Joe und Mary hielten das Lasso bereit. Die Stute hatte schon etwas gewittert und dachte offenbar daran, auf irgendeine Weise weiterzuflüchten. Als Mary hinter ihr eben die Straße erreichte, vielleicht etwas zu laut, brach das Tier aus. Joe war noch am Hang, mehr als eine Lassolänge von der Straße entfernt, und er konnte am Hang nicht so schnell reiten, wie die ledige Stute unten im Tal zu galoppieren vermochte. Mit wehendem Schweif legte sie ihr volles Tempo vor. Joe murmelte einige Flüche. In diesem Augenblick erschreckte ihn ein Motorengeräusch; er fürchtete, daß ein unvorsichtiger Fahrer ein unberechenbares Pferd nur zu leicht anfahren oder zuschanden fahren könne. Aber dann erkannte er seinen eigenen Wagen mit Queenie am Steuer und begann gespannt zu beobachten. Auch Queenie war eine Rancherstochter.
    Die Stute war dem Sportcabriolet an Geschwindigkeit weit unterlegen. Queenie steuerte äußerst geschickt; sie wagte sich auf die Gegenseite der leeren Fahrbahn, und als das Tier sich von etwas, was hinter ihm herkam, eingeholt fühlte, brach es zur Seite aus und kletterte den Hang hinauf. Joes Pferd war auch auf diesem Gelände langsamer als die Stute, zudem trug es die Last des Reiters, und so war es gleich außer Konkurrenz. Kurz entschlossen sprang Joe ab und gab sein Pferd frei. Er huschte den Hang hinauf. Die Stute konnte ihn nicht so leicht und sicher wahrnehmen, wie sie das andere Pferd wahrgenommen hatte, und an Schnelligkeit war er ihr jetzt gleich, sogar über, denn er gab alles her, was in ihm steckte.
    Hinter einem Busch verborgen, gelang es ihm, das Tier zu überlisten. Er warf das Lasso; die große Schlinge senkte sich über Kopf und Hals des Pferdes. Der Ruck, der beim Zuziehen erfolgte, war nicht allzu heftig, da die Stute am Hang

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