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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Liebe. Die Menschen konnten nicht ruhig mit ihm dahinleben und er nicht mit ihnen.
    Was würde aus den goldenen Eiern ausschlüpfen? Quellwassersprudel, Büffel, Erpressungen der Feinde, Ansprüche der Freunde? Joe Inya-he-yukan King, genannt Stonehorn, war als Kind mißhandelt worden. Er war mißtrauisch, immer hellwach, um Gefahren zu erkennen. In dieser Nacht blieben seine Augen offen bis zum Morgengrauen.
     

Besuche
     
    Nach Joe Kings überzeugendem Erfolg empfand die Kriminalabteilung der Polizei von New City unter einer zur Schau getragenen Befriedigung einen gewissen Ärger darüber, nicht recht behalten zu haben, und es mangelte durchaus an einer Empfindung der Selbstkritik, als das Protokoll der Aussage von Esmeralda Horwood geborener O’Connor, Sproß einer stets des Brandy- und Rauschgiftschmuggels verdächtigen Familie, mit dem Vermerk ›erledigt‹ zu den Akten gegeben wurde. Im Gegensatz dazu waren Richter Elgin und Superintendent Hawley sehr angenehm davon berührt, daß Joe Stonehorn das in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt hatte. So empfand auch Mrs. Carson, die Wohlfahrtsdezernentin, die der Familie King, selbst dem Trinker Old King, nie schlecht gesinnt gewesen war, dafür aber stets wenig Verständnis bei ihren Kollegen gefunden hatte. Sie gab sich Mühe, den Beweis für den Wiederaufstieg der Kings so weit und auf so vielfältigen Wegen, wie ihr amtlich zustand, zu verbreiten, und sie konnte wenigstens feststellen, daß sich Kollege Haverman, Ökonomie, für die Investitionsmöglichkeiten von 40000 Dollar interessierte und seine diesbezüglichen Ratschläge an den Reservationsindianer King bereits überdachte. Auch der Ausschuß des Stammesrates wurde nach Morning Stars Bericht hellhörig.
    Es war aber Margot Crazy Eagle, die Frau des blinden Richters, als Säuglings- und eine Art Gemeindeschwester tätig, die auf einer ihrer Rundfahrten die Nachricht zu der abgelegenen Ranch von Queenies Eltern brachte.
    Vater Halkett atmete tiefer und richtete sich auf, als ob ihm ein Mühlstein vom Halse abgenommen worden sei. Er hatte schwer daran getragen, daß seine schöne und tüchtige Lieblingstochter Queenie, als Malerin schon über die Reservation hinaus bekannt, die Frau eines ehemaligen Gangsters geworden war. Es hatte nach dem großen Rodeo-Siege Joes in New City eine halbe Versöhnung gegeben, doch erst jetzt fühlte sich Vater Halkett ganz befreit. Der Schwiegersohn hatte wie ein Ehrenmann gehandelt und eine Summe verdient, mit der eine Ranch von Ansehen aufgebaut werden konnte.
    Halkett ließ seine alte Mutter, seine Frau und die kleinen Geschwister Queenies wissen, daß man am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang zur King-Ranch aufbrechen werde. Nur der herangewachsene Sohn Henry hatte, sehr zu seinem Bedauern, bei Haus und Vieh daheim zu bleiben.
    Der ramponierte alte Ford faßte die sechs Personen; auf der nächstgelegenen Ranch nahm Halkett, gutherzig gestimmt, noch ein paar Kinder zwischen vier und vierzehn mit und gelangte in seinem mit Menschen überladenen Wagen, nach langer Fahrt, noch glücklich zu dem Blockhaus von Tochter und Schwiegersohn. Die Hunde kläfften aufgeregt um die Ankömmlinge. Queenie begrüßte Eltern, Großmutter und Geschwister mit aufblühender Freude, die übrigen Kinder auf fröhliche Weise. Joe spielte mit den drei kleinen Halketts und mit den fremden Kindern so lebhaft, daß seine junge Frau sich doppelt auf den Tag freute, an dem ihr Mann mit seinem eigenen Kinde würde scherzen können. Seinem Schwiegervater und der Schwiegermutter begegnete Joe mit Höflichkeit und Gastfreundschaft, der Großmutter, Untschida, mit betonter Achtung. Der Ahne Inya-he-yukan Okute schloß sich diesem Verhalten an.
    Das Ehepaar King hatte nach Stonehorns abenteuerlichen Erlebnissen und seinem Erfolg Besuch vorausgesehen und sich reichlicher als üblich eingedeckt. Queenie tischte auf, nicht auf Kosten der vierzigtausend, die für Zwecke ganz anderer Art vorgesehen waren, sondern á conto des Honorars für ihren Entwurf des Wandfrieses in der Schulaula. Allen schmeckte es, und die Stimmung wurde lockerer.
    Vater Halkett erteilte gute Ratschläge für die Verwendung der vereinnahmten Dollars und warnte Joe und Queenie vor vielen unnützen und unberechtigten Bitten und Ansprüchen, die nun an sie herantreten würden. Joe widersprach dem älteren Manne nicht. Queenie im türkisfarbenen Kleid, geschmückt mit der Türkis-Halskette, Andenken aus der Kunstschule, war an diesem Tag

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