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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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starrte Stonehorn an, der in seine Blue Jeans fuhr und den Colt in die Hosentasche steckte.
    »Wer sind Sie denn, Sie…«
    »Joe King, sagte ich Ihnen ja. Der Höhlenführer oben hat Telefon. Wir werden Ihre Eltern anrufen, und ihnen mitteilen, daß Sie beide wohlbehalten aufgefunden worden sind.«
    Joe befreite Jerome von dem Knebel, und Jeromes Stimme erschallte sofort: »Verdammter Gangster! Fünf Tage zu früh! Das ist Freiheitsberaubung. Wir gehen nicht mit!«
    »Aufgefunden seid ihr ja nun doch, ihr Leute. Also wozu noch die Szenen! Sie benehmen sich, Mister Bergen, wie eine Fußballmannschaft, die das Verlieren noch nicht gelernt hat. Zahlen Sie Ihre verlorene Wette aus, amüsieren Sie Ihre Freunde und Freundinnen mit den Erzählungen von Ihrem Höhlenabenteuer, während Ihr Vater mir die Belohnung gibt, die er auf Ihre Auffindung gesetzt hat.«
    »Wahrhaftig, ja, das auch noch! Daddy ist aber ein Esel.«
    »Das entzieht sich meiner Beurteilung, Mister Bergen, wer ein Esel ist. Ich nehme Ihnen jetzt die Fesseln ab, und Sie gehen ruhig wie ein Tourist nach oben, um sich mit Ihrer Schwester bei Ihren Eltern telefonisch zu melden. Tun Sie das, was ich Ihnen sage. Gegen mich kommen Sie doch nicht auf. Sie haben Pech. Ich war mal in der Branche.«
    »Auch Fußballer?« Jerome war mitten in seinem Ärger ein wenig erfreut.
    »Man könnte es so nennen, Mister Bergen, aber ich habe mit schärferen Bällen gespielt.«
    Die Geschwister begannen die Treppe hinaufzusteigen. Joe folgte und beobachtete die beiden wie ein Gefangenenwärter; ohne es zu wissen, lächelte er dabei über sich selbst. Seine Aufmerksamkeit war auf Jerome gerichtet, der unmittelbar vor ihm ging. Er traute der raschen Nachgiebigkeit des selbstbewußten athletischen Neunzehnjährigen nicht. Als Jerome auf einer Stufe des ersten Absatzes der steil in die Höhe führenden Treppe zu zögern schien, war Joe schon kampfbereit, und sobald Jerome den erwarteten Versuch machte, sich umzudrehen und mit seinem unwillkommenen Entdecker vielleicht doch noch so zu verfahren, wie dieser zuvor mit ihm, flog Jerome schon in einem Schwung über Joes Kopf hinweg die Treppe hinab – ein gefährlicher, aber doch berechnet glimpflicher Sturz seines gut trainierten Körpers. Sobald sich Jerome erhoben hatte, stand Joe auch schon unmittelbar hinter ihm. Caroline hatte nicht einmal die Zeit zu einem Angstschrei gefunden.
    Jerome erkannte den Ausgang der zweiten Runde als knock out an, schaltete um und sagte trocken: »Sie haben recht, King, man muß auch verlieren können.«
    Als alle die dreihundertundsechzig Stufen genommen hatten und auf dem Podest vor der schweren Holztür standen, erkundigte sich Jerome: »Sie bekommen also tatsächlich nur vierzigtausend als Belohnung?«
    »Genau.«
    »Das geht ja noch. Ist mäßig. Für uns alle beide? Und gegebenenfalls sogar für unsere Leichen? Was Dad sich dabei wohl gedacht hat?«
    »Die Frage habe ich mir auch gestellt, Mister Bergen. Aber da Ihr Vater kein schlichter Bürger, sondern ein Rechtsanwalt ist, wird er gerechnet haben, daß eine Belohnung, auf Lebende ausgesetzt, immer zu Erpressungen ausgenutzt werden kann – eine Belohnung, die gegebenenfalls auch für Tote ausgezahlt wird, aber kaum. Halte das Angebot dennoch für eine Fehlrechnung. Es könnte einer auf den Gedanken kommen, Leute kaltzumachen, um sie an späteren Aussagen zu hindern.«
    »King, Sie sind gewitzt. Glücklicherweise haben Sie bis jetzt nichts getan, was Sie verschweigen müßten. Wollte Ihnen schon eine Prämie anbieten, wenn Sie mich meine Wette gewinnen lassen – wir könnten uns zu dritt in der Höhle hier noch fünf Tage wohl fühlen. Leider kann ich Dad nicht überbieten. Aber ein Vorschlag: Sie machen die fünf Tage mit uns beiden mit, am sechsten tauchen wir miteinander auf –, ich zahle Ihnen meinen Wettgewinn – fünftausend –, und Sie kassieren von Dad die vierzig. Sie können die paar Dollars mehr sicher gebrauchen.«
    »Könnte ich, aber es wird nichts daraus, Mister Bergen. Meine Zeit würde grade noch ausreichen, aber ich unterstütze Sie nicht bei einem Wettschwindel, und ich belüge auch Bergen senior nicht, wenn er mir die vierzigtausend auszahlt. Aufgefunden ist aufgefunden. Ich habe gesprochen, hau.«
    »Sie haben gesprochen, hau! King, Sie fangen an, mir zu gefallen. Wie wir miteinander im Teich lagen, war toll, nicht? Wie sind Sie eigentlich in die Höhle hereingekommen?«
    »Vermutlich ebenso wie Sie, Bergen, und so

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