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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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eine glückliche, lachende, alles bejahende Gastgeberin. Ihre kleinen Geschwister und die eingeladenen Kinder genossen die Süßigkeiten, die sie sonst nie erhielten.
    Nach dem Essen und einer Rauchpause gingen Vater Halkett, der alte Okute und Joe zusammen im Gelände umher zu Pferden und Vieh, endlich hinauf auf den Hügelkamm, wo Stonehorn einen Brunnen bauen lassen wollte, um die dürren Wiesen von oben her zu bewässern und Trink- und Waschwasser für die Familie zu gewinnen. Bald sollten die Probebohrungen beginnen. Plänemachen war eine Freude, wenn es an den Mitteln zur Verwirklichung nicht mehr mangelte.
    Auf ihrem Rückweg vom kiefernbestandenen Hügelkamm zum Blockhaus schauten die drei Männer in das Tal hinunter und beobachteten einen Wagen, der, unsicher gesteuert, die Straße entlangfuhr. Er hielt auf der gegenüberliegenden Talseite, bei der Booth-Ranch. Der Fahrer stieg aus, und die drei Beobachtenden erkannten ihn gleichzeitig als Harold Booth.
    »Ihr habt schlechte Nachbarn«, sagte Vater Halkett.
    »Vater Isaac, seine Frau und die Tochter Mary sind ordentliche Leute«, antwortete Joe. »Aber Harold ist ganz heruntergekommen.«
    »Wie war es möglich?« fragte Halkett. »Hast du es je begriffen?«
    Joe überlegte. »Er war der Star in der Schule und in der Familie, aber Hindernisse mochte er nicht nehmen, da wich er aus wie ein feiges Pferd und wählte den Umweg von Lüge und Verleumdung. Er kam in schlechte Gesellschaft, die O’Connors liefern ihm den Brandy und haben ihn endlich zum Pferdedieb gemacht. Er hat mich von je gehaßt, weil Queenie sich für mich entschied.«
    »Jetzt wird es ihn schmerzen, daß du es bist, der die vierzigtausend hat und nicht er.«
    »Mag sein. Morgen ist der Termin gegen ihn, und hinter Gittern und Mauern kann er dann davon träumen, wieviel schöner sich sein Leben anließe, wenn er selbst die Dollars geerntet hätte, wenn ich im weißen Hemd in der Gaskammer erstickt oder unter Elektroschocks verschmort wäre und er um die Witwe Queenie werben könnte.«
    »Joe, hast du das Geld im Haus?«
    »Aber nein. Auf der Bank.« Stonehorn lächelte seinen Schwiegervater an. »Dort ist es sicher, denke ich.«
    Harold Booth, über den die drei Beobachter gesprochen hatten, war unterdessen mit schwankenden Schritten nicht zu dem Ranch-Haus Booth gegangen, sondern hinüber zum Schweinestall, in dem er verschwand. Die drei Beobachter setzten ihren Weg zur Blockhütte fort, um noch mit der Familie zusammen zu sein, ehe die Halketts aufbrechen mußten. Vater Halkett wollte nicht übernachten.
    Als es vier Uhr nachmittags geworden war und die Gäste, von ihren Gastgebern begleitet, die Hütte verließen, entging es Halkett, Queenie, Joe und Okute nicht, daß auf der gegenüberliegenden Talseite Harold aus dem Schweinestall herauskam. Er hatte unmöglich soviel Zeit brauchen können, um den Stall etwas sauber zu machen; sein Aufenthalt mußte andere Gründe gehabt haben. Seine Haltung war jedenfalls noch unsicherer geworden, und Vater Isaac empfing den Sohn an der Tür des Hauses nicht eben freundlich; das ließ sich mit scharfen Augen auch aus weiter Entfernung erkennen.
    Joe war froh, daß er seinen Feind Harold nun in der Obhut des gestrengen Patriarchen Isaac wußte. Ohne Bedenken bot er dem Schwiegervater an, daß Okute und er selbst mit ihren Wagen die Heimfahrt der Familie Halkett und ihrer kleinen Gäste unterstützen würden. Joe, von Grund auf sachverständig für Wagen, fürchtete für den vielfach angeschlagenen alten Ford, wenn er die Last von drei Erwachsenen und sieben Kindern noch einmal über eine weite Strecke schleppen sollte. Zwar mußte Stonehorn am nächsten Vormittag als Nebenkläger zu dem Termin gegen Harold auf dem Gericht in der Agentursiedlung sein, aber es konnte ihm mit seinem schnellen Wagen nicht schwerfallen, pünktlich dort zu erscheinen.
    Queenie winkte den Abfahrenden nach und machte sich dann daran, aufzuräumen und abzuwaschen. Die Zisterne war leer, und sie sparte mit dem Wasser im Eimer, das vom entfernten fremden Brunnen herbeigeschleppt war. Leise sang sie vor sich hin und träumte davon, daß sie eines Tages nur den Wasserhahn würde aufzudrehen brauchen wie die Leute in der Agentursiedlung. Der Sohn, den sie erwartete, sollte sich ein Leben ohne Brunnen gar nicht mehr vorstellen können.
    Queenie brachte alles wieder an seinen Platz und fegte den einzigen Raum, den die Blockhütte umschloß, mit dem Besen aus, den ihr einst der alte King

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