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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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den die Personalbeschreibung von Jerome genau paßte, die Hände mit dessen eigenem Halstuch, die Füße mit dessen eigenem Gürtel. Jerome rührte sich schon wieder, wenn er auch seine Umgebung noch nicht begreifen konnte.
    Nach zehn Minuten etwa kam Jerome unter Joes sachverständigen Bemühungen wieder ganz zu sich und versuchte vergeblich, die gefesselten Hände und Füße zu gebrauchen.
    Er schaute zornblitzend auf Joe und sagte dann, und das war der erste menschliche Laut bei diesem Zusammentreffen:
    »Damned, Sie verflixter Bursche, wer hat Ihnen erlaubt, sich in meine Angelegenheiten zu mischen?«
    »Mister Bergen, wie kommen Sie dazu, mir in den Nacken zu springen? Sie haben die Höhle hier weder gebaut noch gepachtet. Wollen Sie einen unerwünschten Entdecker zum Schweigen bringen?«
    »Geben Sie mir die Hände und die Füße frei, Sie Gangster! Aber sofort!«
    »Wenn Sie diesen Ton anschlagen wollen, bitte. Ich denke gar nicht daran, Sie freizugeben. Mister Jerome Bergen. Sie sind für mich ein schwerer Fisch, 40000 Dollar und meine eigene Freiheit wert, und ich bringe Sie ans Tageslicht. Die ausgesetzte Belohnung lautet auf ›lebendig oder tot‹. Also seien Sie sehr vernünftig, denn die Wahl liegt ausschließlich bei mir.«
    »Verdammter dreckiger Bursche! Erpresser! Was willst du denn von mir?«
    »Holen Sie Ihre Schwester, Miss Caroline Bergen, zu uns herunter. Dann beginnt der gemeinsame Aufstieg ins Freie.«
    »Worüber Sie sich getäuscht haben dürften! So einfach ist es nun auch wieder nicht!«
    »Dann noch einfacher, Mister Bergen. Ich hole die junge Dame selbst.«
    Joe verstärkte die Fesseln des Ungebärdigen mit Hilfe seines eigenen Halstuches, knebelte Jerome so rücksichtsvoll wie möglich, band ihm die lange Hose über den Kopf, so daß er blind und auch auf diese Weise behindert blieb, entlud den nassen Colt, steckte ihn wieder in seinen Gürtel und drang dann ein zweites Mal in den Höhlenarm ein.
    Der Höhlengang wurde nach oben zu immer steiler, eine Art Kamin, durch den Jerome so überraschend und wirkungsvoll herabgesaust war. Joe kletterte. Was Jerome sicher des öfteren getan hatte, konnte Joe nicht schwerfallen. Er hatte noch etwa zwanzig Meter vorzudringen, ein erhebliches Stück im unwegsamen Fels. Aber dann wurde er für seine Anstrengungen belohnt, denn an einer erweiterten und ebenen Stelle saß eine hübsche blonde junge Dame auf einer Decke, von einem noch immer ausreichenden Vorrat dauerhafter Lebensmittel umgeben. Sie erschrak, als nicht Jerome, sondern ein Fremder kam, ein braunhäutiger Fremder, durchnäßt, in Shorts und Cowboyhemd, im Gürtel ein Stilett und den Colt, den sie für schußbereit hielt.
    »Hallo!« grüßte Joe. »Miss Bergen, das ist ein netter Spaß, den Sie sich erlaubt haben, aber nun ist die Zeit um.«
    »Tatsächlich?!« rief sie. »Der Termin ist schon abgelaufen? Aber nach unserer Uhr sind es noch fünf Tage, bis wir gefunden werden dürfen.« Caroline hatte eine Uhr bei sich, die sowohl die Stunden als auch die Tage anzeigte. »Wir haben um 5000 Dollar gewettet, daß wir 35 Tage lang allen Nachforschungen entgehen.«
    »Ihre Eule ist meine Nachtigall, Miss Carol. Packen Sie zusammen, falls Sie auf irgendeinen dieser Gegenstände hier noch weiter Wert legen, und kommen Sie mit. Jerome wartet unten beim Teich auf sie.«
    »Oh!« Caroline sah sich um, legte auf die umherliegenden Gegenstände keinen Wert mehr und erhob sich.
    »Jerome hat mir heraufgeholfen, Mister… wie heißen Sie?«
    »Joe King.«
    »Also Jerome hat mir heraufgeholfen, und so helfen Sie mir bitte hinunter, Mister King. Was war denn los, warum hat Jerome vorhin so fürchterlich gepoltert?«
    »Es machte ihm Spaß, mir in den Nacken zu springen.«
    »Kindischer boy! Typisch Jerome. Ich hatte schon Angst, daß er sich bei diesem Sturz verletzt habe, aber Sie unterhielten sich ja ganz gut mit ihm, nicht?«
    »So war es.«
    Joe gab Caroline Anweisung, wie sie absteigen solle, ging voran und tat sein möglichstes, ihre unzureichenden Kletterkünste auszugleichen. Als Miss Bergen unten ankam und über den Teich befördert war, schrie sie laut auf, denn sie erkannte im Schein der Taschenlampe Jerome, gefesselt, mit der Hose über dem Kopf, und sie war jetzt überzeugt, einem Mörder oder etwas noch Gräßlicherem in die Hände gefallen zu sein.
    »Jerome! Jerome!«
    Stonehorn nahm dem jungen Mann die Hose vom Kopf ab, so daß er seine wohlbehaltene Schwester erkennen konnte.
    Caroline

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