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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Männer, die sagten, sie schießen nach dem Wild, aber in Wahrheit schossen sie nach einem Bruder. Solche Männer gab es. Niemand nahm ihren Skalp, und niemand versöhnte sie, wenn sie sterben mußten.«
    »Stonehorn kann das ertragen, den Geist eines Unversöhnten, und Okute erträgt es auch. Aber ich ertrage es nicht. Aus den Brettern, auf denen ich gehe, schreit das Blut. Auf dem Friedhof, den ich nicht mehr besuche, liegt ein verzerrtes Gesicht unter der Erde, und die Gräser sind von seinem Haß gespeist. Ich sehe das. Ich bin damit geschlagen, daß ich es sehe.«
    »Baut euch ein neues Haus, Queenie.«
    »Elk, das ist es nicht. Wie kann ich mit einem Hammer und mit Holz das Gesicht auslöschen. Es ist doch nicht mehr von Fleisch und Blut. Ein Geheimnis muß mit einem Geheimnis und ein Geist muß mit einem Geist gelöscht und versöhnt werden. Du bist Priester.«
    »Ich bin kein Zauberpriester.«
    »Warum, was ist das – Priester oder Zauberpriester? Zauber, das ist Geheimnis. Unsere Vorfahren glaubten an das heilige Geheimnis, und ich glaube auch daran. In unserer Kirche singen und beten wir zu ihm: Wakantanka. Die Weißen nennen es Gott. Kennst du ihn so gut, daß er kein Geheimnis mehr für dich ist?«
    »Ein noch größeres Geheimnis als er für unsere Vorfahren war.«
    »Die Priester, die die weißen Männer katholisch nennen, können einen Fluch vertreiben. Sie sprengen reines Wasser, dann weicht der Fluch. Elk, du mußt das Blut und das Gesicht vertreiben, sonst werden sie an meinem Kinde nagen.«
    »Queenie, du bist unschuldig. Er wollte dich töten. Du hast gekämpft, das ist alles.«
    »Aber das Gesicht ist unter den Gräsern, und das Blut ist im Hause. Sie sind nicht vertrieben und nicht versöhnt. Und es gibt noch mehr Geheimnisse, die mir in den Träumen erscheinen. Elk, wirst du schweigen, so, wie die Priester der katholischen Kirche schweigen müssen?«
    »Ich schweige. Ich schweige nicht um anderer Priester und nicht um deiner Bitten willen, Queenie. Ich schweige um des großen Geheimnisses willen.«
    »So werde ich dir sagen, daß Stonehorn in Notwehr zwei Männer getötet hat, die mit Harold Booth zusammen die gestohlenen Pferde wegschleppen wollten und auf seinen Anruf hin auf ihn geschossen haben. Dabei ist unsere Stute erschossen worden. Booth hat sie erschossen. Und Booth hat die Leichen verstümmelt und angebrannt, damit niemand sie erkennen soll.«
    »Niemand hat sie gefunden?«
    »Niemand wird sie finden. Aber ich träume davon.«
    »Soll ich dir sagen, wer sie waren?«
    »Elk!«
    »Ja. Elk wird dir sagen, wer sie gewesen sind. Der alte O’Connor, genannt Black and White, und Brandy Lex. Sie haben Rauschgift für die Weißen und Brandy für die Indianer geschmuggelt und von ihnen bekam Booth seinen Whisky. Wir haben das alle gewußt. Als Booth den Diebstahl eingestehen mußte, waren auch die beiden verschwunden, und niemand hat sie mehr gesehen. Aber wenn wir ihre Leichen gehabt hätten, wäre es leicht zu sagen gewesen, daß sie als Kumpane des Booth gehandelt haben.«
    »So war das.«
    »Ja, so war es.«
    »Ich danke dir, Elk. Es ist jetzt leichter. Aber was soll ich tun, damit das Gesicht des Booth zu Erde wird und sein Blut sich löst?«
    »Bitte Mary zu dir. Wenn sie in deinem Hause sitzt, wird das Blut schwinden, und wenn du mit ihr zum Grabe gehst, wird das Gesicht des Lügners zu Erde werden.«
    »Elk!«
    »Warum ist es so schwer? Wird Mary hart sein?«
    »Vielleicht nicht. Aber sie wird aus einem Grunde weich sein, den ich hasse.«
    Elk sah forschend auf die junge Frau. »Was haßt du, Queenie?«
    »Ich hasse es, daß sie Joe liebt.«
    »Weißt du das so gewiß?«
    »Ohne Worte und ohne Zeichen. Aber ich weiß es.«
    »Kannst du das nicht ertragen? Unsere Väter hatten zuweilen zwei oder drei Frauen in ihrem Zelte. Die Frauen liebten einander und halfen einander. Heute soll das nicht sein. Aber mußt du hassen?«
    »Elk, Haß und Liebe sind eins. Man kann sie doch nicht trennen. Sie sind wie Gott und Teufel.«
    »Queenie, Joe ist dein, und das Kind ist dein. Mary ist einsam und verschwiegen. Kannst du sie wirklich hassen? Sie haßt dich nicht, sie hat auch dir geholfen.«
    »Ich werde das nie begreifen, Elk.«
    »Du bist schön, Queenie, und in deiner Liebe wie ein starker Magnet. Mary ist nicht schön, und von ihr gehen keine Strahlen aus. Sie hat verzichten gelernt, und sie arbeitet, Mußt du sie auch noch hassen?«
    Queenie schwieg.
    »Queenie, wenn du nicht ein größeres

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