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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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einen Zustand kamen, der von einem Indianer als fahrbar angesehen wurde, ließ der Vater den Motor an. Die Zündung funktionierte, und die Fahrt nach Hause ging ohne Unterbrechung vonstatten.
    Queenie machte sich daheim an die Gartenarbeit. In den Ferien war das Gärtchen immer ihrer persönlichen Obhut anvertraut. Sie holte sich Wasser von dem Pumpbrunnen, den sich der verstorbene Großvater und der Vater in jahrelanger mühseliger Arbeit selbst gebaut hatten. Mit Wasser ließ sich die Erde, die die Gemüsebeete überschlammt hatte, vorsichtig auflösen, noch ehe sie hart trocknete.
    Es war, als ob das Blut in Tashinas Adern schneller strömte und die Sonne in ihren Augen heller glänzte, weil ein Glanz von innen ihr entgegenkam.
     
    Das Unwetter hatte zahlreiche Schäden angerichtet, und in den nächsten Tagen war man allerorts mit Reparaturen beschäftigt. Die laufende Arbeit wurde dadurch überall aufgehalten, auf den Ranches in den Büros, selbst in der Angelhakenfabrik, deren Dach abgedeckt war. Die Gerichtstermine konnten zum Teil nicht eingehalten werden, und das Krankenhaus war durch die Aufnahme von Unfallbetroffenen überbelegt. Viele Besucher bei Verwandten blieben einige Tage länger, um abzuwarten, bis die Wege wieder leichter befahrbar wurden. Der alte Isaac Booth fand es daher zunächst nicht besorgniserregend, daß sich sein Sohn Harold nicht blicken ließ.
    Erst zehn Tage später kam wie durch Zufall das Gespräch darauf. Mutter Booth kaufte frühmorgens im Supermarket an der Agenturstraße ein, Eier, Mehl… Früchte? Nein, Früchte nicht, denn das Geld war immer knapp, die Ranch sollte noch vergrößert und die Pacht an den Stammesrat immer pünktlich bezahlt werden.
    »Wie geht es denn Harold?« erkundigte sich die Kassiererin, in deren Adern einige Tropfen Indianerblut flossen.
    Die Mutter, die sich um den tagelang ausbleibenden Sohn viel mehr sorgte als der Vater, witterte irgendeine Bedeutsamkeit in der Frage.
    »Warum? Haben Sie Harold kürzlich gesehen? Gut vor einer Woche, meine ich. Er wollte hier für uns einkaufen.«
    »Ja, das wollte er wohl.« Jetzt war es an der Kassiererin, einem interessanten Fall auf die Spur zu kommen. »Aber dann hat er doch nicht eingekauft.«
    »Nein, nicht wahr, dann hat er doch nicht eingekauft.« Die ängstlich gespannten Augen der Mutter erweckten in der Frau an der Kasse die Erwartung auf einen wahren Kriminalroman. Ein Glück, daß sich außer Mutter Booth im Augenblick kein Kunde im Laden befand. Die Kassiererin konnte die Angelegenheit spannend machen. »Ich habe mich auch gewundert«, verlautbarte sie zunächst nur.
    »Ach – Sie haben ihn gesehen, obgleich er nicht in den Laden kam?«
    »So ungefähr.«
    Jetzt trat doch ein Kunde ein, holte sich eine Kleinigkeit, zahlte und ging.
    Die Kassiererin konnte fortfahren. »Dort drüben hat er gestanden, drüben auf der anderen Straßenseite.« Sie lächelte verstohlen.
    »Warum kam er denn nicht herein?« fragte Mutter Booth.
    »Was weiß ich! Ich meine – das kann ich ja nun auch nicht wissen, warum sich der junge Mister Booth anders entschlossen hat.«
    »Haben Sie noch gesehen, daß er wegging?«
    »Ja, das habe ich wohl noch gesehen. Ich habe hier auch viel zu tun und kann nicht einfach aus dem Fenster schauen – entschuldigen Sie. Ich glaube, er fuhr mit einem fremden Wagen weg.«
    Die Tür war wieder aufgegangen. Drei Kunden traten ein. Sie hatten erst lange zu wählen, um viele gute Sachen und wenig Geld irgendwie in Einklang zu bringen.
    »In welche Richtung fuhr er denn?« forschte Mutter Booth aufgeregt.
    »Ich kann keine Eide leisten. Ich glaube, er fuhr zurück, wieder in die Agenturstraße hinein, die er entlanggekommen war.«
    Der Mutter standen die Tränen in den Augen. »Er ist seitdem nicht mehr nach Hause gekommen.«
    »Jesus Christus! Nicht nach Hause gekommen! Es wird doch nicht etwa… So ein guter Sohn… Haben Sie denn schon nachforschen lassen, Missis Booth?«
    »Nachforschen? Aber Sie werden doch nicht denken, daß ihm etwas passiert ist?«
    »Wo werde ich denn so etwas denken. Doch nicht hier auf heller Straße, mitten in der Agentur.«
    »Es war der Tag – erinnern Sie sich –, das war doch der Tag, an dem der furchtbare Sturm einsetzte…«
    »Aber ganz richtig, ganz genau.«
    »Wenn ihm nun mit dem Wagen irgend etwas… zugestoßen… Also er ist zu den Agenturgebäuden zurückgefahren?«
    »Könnte auch umgekehrt gewesen sein. Sehen Sie, es fiel mir überhaupt nur ein,

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