Nacht über der Prärie
beschädigt worden war. Die Mutter bereitete alles vor, damit die Laube aus Kiefernzweigen, die als Sonnen-, Wind- und Regenschutz für einen Werkstattplatz des Ranchers zu dienen pflegte, wieder aufgerichtet werden konnte. Einen Blick warf sie auf das zerstörte Gemüsebeet. Schlamm lag darüber. Doch ein Autowrack, zum Ausschlachten bereit, hatte die Sturmnacht überstanden.
Ein braver Brauner weidete das nasse Gras und zuckte und juckte hin und wieder mit dem Fell. Die Sonne schien schon wieder warm. Der Weg, der aus der Prärie zu dem Haus führte, war noch voller Lachen und Rinnsale. Es würde wohl noch einige Stunden dauern, ehe man wieder mit dem Wagen durchkam. Helles Jubelgeschrei der drei Kinder auf der Anhöhe meldete aber den Eltern, daß Queenie in Sicht sei.
Vater und Mutter blickten erstaunt auf. Das hatten sie nicht erwartet. Die Großmutter kam aus dem kleinen Haus, noch das Leder in der Hand, das sie mit alten Mustern besticken wollte, um es an das Museum in New City zu verkaufen.
Als Queenie ohne Wagen, mit nasser zerrissener Kleidung, aber das Köfferchen in der Hand, vor den Augen der Eltern auftauchte, war sie sich bewußt, daß ihr Aufzug einige Überraschung auslösen mußte. Doch die Eltern und die Großmutter brachen nicht in laute Rufe oder Fragen aus, sondern weiteten die Augen nur ein wenig, gespannt, von Queenie den Hergang überraschender Ereignisse zu erfahren. Die jüngeren Geschwister hingen schon an ihrer Hand, und der kleine Bruder krähte seine Frage nach dem fehlenden Wagen in den im übrigen ohne Zweifel wunderschönen Morgen hinein.
Als die stumme Begrüßung vorüber war, öffnete Queenie das Köfferchen, gab der Mutter das Fleisch – ein Geschenk, über das sich die ganze Familie freute –, zog ein paar trockene Sachen der Mutter an und machte sich über ein Stück nasses Vollkornbrot her.
»Wir müssen gleich nach dem Wagen sehen«, sagte sie dabei zu ihrem Vater, der sich mit im Hause eingefunden hatte. »Der Sturm hat mich weggeweht und den Wagen auf einen Talgrund gelegt.«
»Henry ist beim Wagen geblieben«, bemerkte der Vater, eigentlich nicht als Frage, sondern nur als Erläuterung, denn dies erschien ihm selbstverständlich.
Queenie suchte ihre Verlegenheit zu verbergen. »Henry war wohl krank… ich habe ihn bei Elk in New City gelassen.«
Elk galt als einer der vertrauenswürdigen Männer. Die Eltern hatten zu Queenies Auskunft also nichts weiter zu bemerken, aber in der Mutter stieg eine Sorge auf, das sah Queenie ihr an. Wenn Henry so krank war, daß ihn Queenie nicht einmal im Wagen hatte mitnehmen können, mußte es wohl schlimm um ihn stehen.
Der Vater machte sich mit seiner ältesten Tochter auf den Weg. Er nahm einiges Werkzeug mit. Vielleicht konnte er den Wagen an Ort und Stelle wieder fahrbereit machen. Der Fünfzigjährige hatte einen sehr guten Schritt. Queenie strengte sich an, um mitzukommen, ohne den Vater aufzuhalten. Hoch in den Lüften sah sie zwei Geier schweben. Sie war der eine der beiden Menschen, die schon wußten, was diese Vögel anzog und worauf sie lauerten.
Queenie mußte kräftig mithelfen, als der Vater den Wagen wieder auf die Räder stellte. Der Wagen hatte am Hang gelegen, schon etwas schräg, dadurch war die Arbeit für die beiden zu schaffen. Der Vater stellte die Motorhaube auf, damit alles schneller abtrocknen konnte, prüfte dies und jenes durch und fragte dabei:
»Was ist mit Henry?«
»Er hatte getrunken.«
Der Vater schaute rasch, beinahe entsetzt auf.
Er sagte aber nichts, sondern beschäftigte sich mit dem Kabel der Batterie, das wieder locker geworden war.
»Was habt ihr denn nur mit dem Wagen gemacht!«
Queenie bemerkte dazu nichts.
»Hast du das Schießen heute nacht gehört?«
»Ja.«
Der Vater betrachtete das zersplitterte Fenster.
»Ich habe es durchstoßen, um herauszukriechen«, erklärte Queenie. »Hier im Tal ist das Wasser geströmt wie in einem Fluß.«
»Ah, so.«
»Ich habe etwas verdient, und ein Kleid kann ich mir wieder kaufen. Ich habe viel Geld verdient, das habe ich bei Elk gelassen.«
»Ja. Schon gut.«
Der Vater sah hinauf zum Himmel und beobachtete die Raub- und Aasvögel.
»Es gibt solche Vögel… und es gibt auch solche Menschen…«, sagte er. Das war alles, was er sagte oder zu fragen hatte. Vater und Tochter warteten zwei Stunden. Es saß sich schön und ruhig in der Sonne und in dem sanften Wind. Als der Wagen gut abgetrocknet war und auch die Wege schon wieder in
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