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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Täubchen…«
    Tashina begriff, daß sie jetzt dazu dienen sollte, ihren Mann aus der Deckung herauszulocken.
    Sie erhob sich, um rascher handeln zu können. Tashina wollte sich nicht ergeben.
    Dem Kerl im braunkarierten Hemd erschien das Mädchen schön, wenn er sie auch nur als Schattenriß in der Nacht sehen konnte.
    »Moment…«, in seinem Tonfall klang ein Zwinkern mit, »nachher! Ich serviere dir Steinhörner zum Frühstück.« Er wurde sich seiner ursprünglichen Mordaufgabe wieder bewußt und huschte weiter.
    Tashina ließ die Messerklinge in die Erde sausen und wagte es, auf eine ganz andere Weise den Feind anzugreifen, um ihren Mann zu retten.
    Der Karierte hatte das Gefühl, daß ihn eine Raubkatze von hinten im Nacken ansprang. Gewicht und Schwung brachten ihn, der von dieser Seite auf nichts gefaßt gewesen war, zum Sturz. Der Revolver entfiel ihm. Tashina hatte die Waffe schon, ehe er sich besinnen konnte. Sie zielte, als er sich aufrichtete. Auf der Ranch des Vaters hatte sie Waffen handhaben gelernt.
    »Hands up!«
    Als er nicht gehorchen wollte, schoß sie sofort. Er lag im Gras, und im Übermaß der Erregung und Erleichterung, auch in der Absicht, ihren Mann zu verständigen, stieß sie den schrillen Siegesruf ihrer Vorfahren aus.
    Ein kurzer ähnlicher Schrei antwortete. Stonehorn lebte noch, und es schien, daß es ihm gelungen war, seinen Standort noch einmal zu wechseln. Seine Gegner hatten wohl eine Sekunde zu lange auf Tashinas Schuß und ihren schrillen Schrei gehorcht.
    Das Feuergefecht setzte wieder ein. Aber jetzt war es einer, der die anderen jagte.
    Endlich wurde es still.
    Dann ertönte ein einzelner Pfiff. Er klang nicht schrill, sondern melodisch. Das Pferd setzte sich in Bewegung: sicher galoppierte es seinem Herrn zu.
     
    Tashina sah Inya-he-yukan in dieser Nacht nicht mehr. Lautlosigkeit legte sich über zerstörte Wege, niedergedrücktes Gras, gebrochene Bäume, lehmgefärbte Bäche… und über die Toten.
    Tashina überlegte mit jener kühlen Berechnung, mit der sie den Raum für ein Bild einzuteilen pflegte, wenn die Leidenschaft der Intuition das Gesicht, dem sie Ausdruck geben wollte, schon geschaffen hatte.
    Stonehorn war fortgeritten. Er hatte kein Wort mehr zu ihr gesagt, vielleicht keines mehr sagen können, wenn er noch jemand zu verfolgen hatte. Aber sie war seine Frau, und also mußte er glauben, daß sie nun entschlossen genug sein würde, das Richtige zu tun. Tashina hätte versuchen können, nach den Toten zu sehen, aber der Gedanke daran kam ihr in diesem Augenblick nicht.
    In einer Unwetternacht hatten Banditen ein scheußliches Verbrechen geplant und waren dafür mit dem Tode bestraft worden. Es erschien ihr im Grunde alles sehr einfach, und was hier geschehen war, ging auch niemanden etwas an als Inya-he-yukan und Tashina. Jedermann würde froh sein, in dieser Sache nicht weiter forschen zu müssen. Jedermann würde aufatmen, weil solche Banditen niemanden mehr bedrohen konnten.
    Tashina warf den Revolver weg. Sie machte sich aus den nassen Fetzen wieder eine Kleidung zurecht und lief auf einen Hügel, ohne mit ihren Mokassins dabei viel Spuren zu hinterlassen. Von der Hügelkuppe aus orientierte sie sich. Sie wollte zu ihrem Wagen zurück und sehen, was davon noch übriggeblieben war.
    Sie fand den Wagen. Das Wasser war im Sinken und Abfließen. Es gelang ihr, das Päckchen mit Fleisch und das Vollkornbrot herauszuholen, mit einiger Mühe schließlich auch ihr Köfferchen. Sie packte die Päckchen in den Koffer und machte sich zu Fuß auf den Weg zu der Ranch ihres Vaters. Die Luft war ganz ruhig, die Morgendämmerung zog herauf. Am Himmel leuchtete der Morgenstern, das sah Tashina als ein gutes Zeichen an. Von Übermüdung spürte sie nichts mehr. Sie lief schnell und ausdauernd. Zu Fuß war leichter voranzukommen als mit dem Wagen. Am schnellsten würde Stonehorn mit seinem Pferd sein. Es war ein prächtiges Tier, das hatte Tashina auch in der Nacht erkannt.
    Ihr Mann lebte. Eine andere Gewißheit brauchte sie nicht.
     

Ein schwarzes Korn geht auf
     
    Die beiden kleinen Indianermädchen und ihr Bruder, der erst drei Jahre alt war, standen auf einer Anhöhe und lugten in die Richtung, aus der ihre große Schwester Queenie-Tashina kommen mußte… wenn sie endlich kam. Die jüngeren Geschwister hatten schon am Abend vorher viel ungeduldiger gewartet als Vater und Mutter und Großmutter.
    Der Vater arbeitete an dem Dach des Holzhauses, das vom Sturm

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