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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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aus dem Fenster zu schauen, weil…«
    »Weil…?«
    Es trat eine längere Pause ein, da die drei Kunden sehr umständlich zahlten und packten.
    »Weil es mir doch unheimlich vorkam«, konnte die Kassiererin endlich fortfahren. »Man hat manchmal ein Gefühl, ganz ohne Verstand! Weil es mir also unheimlich vorkam… daß…«
    »… daß…? So reden Sie doch!«
    »Ja, daß drüben der junge Mister Booth stand, und hier beim Schaufenster stand Joe – Joe King.«
    »Joe King?!«
    »Ja. Und Queenie kam ausgerechnet dazwischen.«
    Die Mutter schaute die Kassiererin einige Sekunden entgeistert an. Dann vergaß sie fast zu zahlen, legte schließlich ein zu großes Geldstück hin, ohne sich herausgeben zu lassen – was ihren Gewohnheiten durchaus widersprach –, und stürzte aus der Tür hinaus, zu dem Wagen hin, in dem ihr Mann, schon sehr ungeduldiger Stimmung, am Steuer saß.
    »Isaac!« Sie hatte sich noch nicht gesetzt, sondern stand, vorgebeugt, an der offenen Autotür und schob die Einkäufe auf dem Hintersitz zurecht. »Isaac… Harold ist ermordet. Joe King hat das getan. Wir müssen sofort Anzeige erstatten.«
    Mr. Booth senior war durch das Gehabe seiner Frau etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Mammy war ein Halbblut, eine fleißige Ranchersfrau, kümmerte sich stets um die Kleintierzucht, die von vielen Indianerinnen verachtet wurde, und paßte sich daheim der schweigsamen Atmosphäre der Ranch an. Vielleicht war Harold der einzige, dem ihre natürliche Redseligkeit nicht lästig war, weil er selbst gern plauderte, und vielleicht rührte auch daher die Sonderliebe der Mutter für diesen ihren jüngsten Sohn. Aber die Unterhaltung mit Harold reichte nicht aus. Wenn Mammy in die ›City‹ der Reservation, in die Agenturstraße, kam und besonders wenn sie einkaufte, öffneten sich die Schleusen ihres Redebedürfnisses, und was sie erzählte, wurde Mr. Booth senior stets zuviel.
    Er pflegte deshalb auch schon seit Jahren nicht mehr mit ihr zum Einkauf zu fahren. Aber heute hatte Harold gefehlt – worüber Isaac Booth mehr ärgerlich als besorgt war –, und die letzte unverheiratete Tochter mußte sich um eine kranke Kuh kümmern. Es war ein im ganzen durchaus schwarzer Tag für Booth senior, und dementsprechend reagierte er jetzt. Er gab seiner Frau überhaupt keine Antwort, winkte mit einer barsch wirkenden Bewegung des ganzen Arms, daß sie sich mit dem Einsteigen beeilen möchte, und fuhr schnurstracks mit ihr zum Stammesgericht, in dem um diese Tageszeit irgend jemand anwesend zu sein hatte.
    Als er eintrat – seine kleine Frau wirkte hinter ihm wie versteckt –, begegnete er zunächst Runzelmann, der eben durch den schmalen Korridor lief.
    »Richter Ed Crazy Eagle?« fragte Booth kurz und fordernd.
    »Nicht da. Nur der President.«
    »Muß ihn sprechen.«
    »Es findet eine Verhandlung statt. Sie müssen leider warten.« Runzelmann begriff, daß der Pächter der großen Ranch, Isaac Booth, sein Ansehen in jeder Weise gewahrt wissen wollte. Er führte ihn daher in die zur Zeit leere Arbeitskammer von Ed Crazy Eagle und bot ihm und seiner Frau die vorhandenen drei Stühle zur Auswahl an.
    Isaac Booth setzte sich.
    »Der President ist nicht gern gestört, und die Verhandlung ist wichtig und schwierig«, erklärte Runzelmann. »Wenn ich einzutreten und zu stören und zu fragen wage, ist es besser, ich weiß irgendein Stichwort. Wollen Sie mir einen Hinweis geben?«
    Isaac Booth kämpfte mit sich. Er gab nicht gern bloßes Geschwätz weiter, aber es ging um seinen Sohn, und er wünschte auch diesen Gerichtsbeamten zu zeigen, daß Booth senior nur kam, wenn er ein Anliegen hatte, das in das amtliche Getue wie ein Blitz einzuschlagen geeignet war.
    »Joe King hat meinen Sohn ermordet.«
    Die Wirkung war da.
    Runzelmann blieb eine Sekunde fassungslos, zog dann jene Runzeln zusammen, die er nur bei besonderen Anlässen, vielleicht alle fünf Jahre einmal, krauste, und entfernte sich ohne weiteres Wort langsam, im Tempo und Rhythmus eines Leichenträgers. Nicht anders war ihm innerlich zumute.
    So hatte es also kommen müssen.
    Er zögerte noch einen Augenblick vor der Tür des Präsidentenzimmers, verstand die Worte, die herausdrangen, vor Aufregung nicht, obgleich sie hörbar waren, und klinkte dann auf. Erst zu klopfen, schien ihm der gegebenen Situation nicht angemessen. Der indianische Gerichtspräsident war mitten im Sprechen, sah den Eintretenden mit dem Blick an, der warten hieß, und fuhr dann

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