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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Halkett zog im Kingschen Haus ein, um die Ranch während der bevorstehenden Reise der Familie in Obhut zu nehmen.
    Bei den Kings gab es jetzt keinen anderen Gedanken mehr als das große Rodeo.
    Joe war für eine solche Veranstaltung nicht mehr als ein wenig bekannter Außenseiter. Er gehörte weder zu jenen Amateuren noch zu den Professionals, die eine Saison hindurch von Rodeo zu Rodeo zogen, um Preise zu gewinnen, um das Einkommen für den Lebensunterhalt zu verdienen oder diesen aufzubessern, und die sich durch viele Siege für Calgary qualifiziert sahen. Er hätte als Reiter das Zeug gehabt, in die Reihe der Champions aufzurücken, aber dies war nicht der Weg, den er gehen wollte. Er ritt für seinen Stamm und für seine Ranch. Ob er nun, hier wie immer ein oddball, eine Chance haben würde, daran glaubte er selbst, davon träumte Queenie, damit rechnete Okute, dafür betete Untschida, daran zweifelten noch Vater Halkett und die Nachbarin Mary.
    Joe brachte den Viehtransportanhänger, den er sich in New City billig gemietet hatte, mit Hilfe seines Wagens bis zur Einmündung des Seitenwegs. Alles, was mitfahren sollte, fand sich am nächsten Morgen bei Anbruch der Dämmerung zusammen. Stonehorn dirigierte den Schecken in das fahrbare Gehäuse. Die Wagen starteten. Okute fuhr voran, Joe folgte und konnte den Schecken stets im Auge haben. Er hatte noch niemandem die Gedanken seiner schlaflosen Nächte eingestanden. Die 40000 Dollar waren fast verbraucht, auch ein Preis von Calgary konnte die entstandene Lücke nicht ganz füllen, Büffel waren noch schwer an den Mann zu bringen, Rinder brachten wenig Geld. Joe mußte versuchen, sein bestes Pferd, den Schecken, an Okutes Verwandten Collins in Canada oder an den Rodeo-Leihstall in Calgary zu verkaufen. Er fühlte, daß er einen Freund zu verraten und selbst zu tun im Begriff war, weswegen er einen andern einmal fast getötet hätte. Geld war ein Spinnennetz, gefährlicher als selbst ein Bürokrat. Joe fühlte sich von Klebefäden gefesselt. Vielleicht sollte er eher um Kredit nachsuchen als zu verkaufen. Aber der Pferdehändler Krader war ein Halsabschneider; Mary war nach dem Auszug ihrer Eltern aus der Ranch arm; Joe hätte Okute bitten können, doch widerstrebte es ihm, seinen Gast um Geld anzugehen. Okute mußte ahnen, worum es sich handelte. Wenn er nicht fragte, schwieg Joe.
    Das erste Ziel der kleinen Reisegesellschaft war Wood-Hill, die Ranch Okutes. Sie war mehr als sechshundert Meilen nördlich gelegen, jenseits des Yellowstone-River und jenseits des Missouri und sollte am zweiten Tag der Fahrt erreicht werden. Mit Rücksicht auf das Pferd im Anhänger und auf die Kinder konnten Stonehorn und Okute nur ein mäßiges Tempo von vierzig bis fünfundvierzig Meilen fahren.
    Joe wählte die Route durch die Hills, das alte Kerngebiet seines Stammes, das um der Goldfunde willen einst von den Weißen mit Waffengewalt geraubt worden war. Okute und Untschida sprachen auf dieser Strecke nicht ein Wort. Die Wagen hatten sich in den endlosen Kolonnen der Ferienreisenden zu halten, die im Hochsommer die waldigen Berge bevölkerten. Man konnte hier weder langsamer noch schneller als die anderen fahren, ohne für beide Teile unnütze Störungen zu verursachen. Die Autoreisenden passierten die Brücke über den reißenden Gebirgsbach, der das Massiv umfloß, und folgten der Straße in die Wälder, in denen nach dem Raubbau während der Weltkriege nur noch Kiefern, keine Eichen mehr wuchsen. Es ging bergan, nicht nach der Seite jener Höhle, in der sich Jerome und Caroline verborgen hatten, aber aufwärts zu dem Naturschutzgebiet, wo der Wächter Joe wiedererkannte, an dem übervölkerten Zeltlager vorbei, auf dem im Herbst des vergangenen Jahres das verlassene Zelt und der verlassene Wagen der Geschwister Bergen einsam gestanden hatten, weiter zu dem dunklen See, in Fichtenwälder und zwischen bizarren Felsen hindurch. Vor den Felsentunneln hielten die Wagen in langer Schlange, da die Straße sich dort zu einer einspurigen Fahrbahn verengte. Büffelherden weideten friedlich abseits der Straßen, Präriehunde lugten aus ihrem unterirdischen Bau und verschwanden schnell wieder, wenn es ihnen schien, daß ihnen jemand gefährlich nahen wollte. Die zierlichen amerikanischen Antilopen huschten vorüber, manchmal sogar über die Straße. Einige Goldbergwerke waren noch in Betrieb. Abraumhalden umgaben die Förderanlagen.
    Stonehorn hielt nicht an, und Okute und Untschida empfanden

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