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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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keinen Wunsch danach, unter den Tausenden der Fremden das zu beschauen, was ihr Volk unter verzweifelten Kämpfen verloren hatte. Erst jenseits der Hills, an einem stillen Platz, stoppte Joe.
    Queenie stillte die braunhäutigen Babies, die schon die ersten Versuche machten, sich aufzusetzen.
    Joe hatte keine Bedenken, seinem Pferd etwas Auslauf, Gras am Wegrand und Wasser zu erlauben. Okute und Untschida schauten zu den bewaldeten Bergen zurück.
    »Wir sind ein paar Jahrzehnte zu früh darangekommen«, sagte Okute aus seinen Gedanken heraus. »Wenn heute Öl oder Gold auf einer Reservation gefunden wird, kassiert man das Land nicht ein, sondern läßt den indianischen Bewohnern die Ausbeute. Aber vor einem Jahrhundert waren die weißen Männer nur hungrige Raubtiere, und von unserem Recht wollten sie nichts wissen. Wilde waren wir und sollten schweigen oder sterben.«
    »Heute sollen wir auf dürren Flecken Erde die amerikanische Lebensweise annehmen. Wir sind ihre Erziehungsobjekte. Einen solchen spaßigen Job finden sie nicht so leicht wieder.«
    »Trotzdem ist Joe King ein Rancher geworden und eben darum Queenie eine Malerin.«
    »Ja – aber wieviel Zufälle! Die Sturmnacht, in der Queenie und ich uns gefunden haben, Jerome und Caroline, und du, Okute – wenn du damals nicht aufgestanden wärest von deinem Stuhl, hätte ich Nick Shaw mein Stilett wahrscheinlich kunstgerecht durch den Konfektionsanzug gehen lassen und hätte damit auch mein eigenes Leben beendet.«
    »Alle Zufälle haben ihre Zusammenhänge. Schließlich hast du Queenie nicht an einem Tage gewonnen und nur, weil du aus eigenem Entschluß den Weg zurück zu deinem Stamm gegangen bist. Jerome und Caroline hättest du nicht gefunden ohne dein Kombinationsvermögen, und daß ich kam, war durch deinen Namen und zwei Briefe vorbereitet, Inya-he-yukan.«
    »Du kannst es auch so auffassen – unser Erbe und die Chancen nutzen. Aber es kostet verdammt Nerven. Kannst du dir vorstellen, daß ich mich sofort anders bewege, wenn ich die Reservationsgrenze passiert habe? Wie ein Pferd, dem die Kandare abgenommen ist.«
    »Ja. Darum bin ich damals mit unseren paar Zelten ausgewandert. Es war richtig und auch nicht. Wir sind zu wenige oben im Norden, und ihr seid noch nicht frei genug hier unten. Das übelste ist euer schlechtes Land. Doch muß sich aus allem, was der Mensch besitzt, auch etwas machen lassen.«
    »Mit Geld, ja. Wo die Indianer Öl und Fonds haben, geht es leichter.«
    »Euere Fonds sind eure Erfindungsgabe – und die Schulen, die sie euch bieten – aus denen ihr eines Tages eure eigenen Schulen machen werdet – und die Gewißheit, daß ihr nicht untergeht – .«
    »Gewißheit?«
    »Ja.«
    »Du magst recht haben. Neunzig Sommer und Winter Elend und Vormundschaft saugen dem Menschen zwar das Mark aus den Knochen, aber vielleicht ist doch genug von uns und in uns übrig, um uns noch einmal zu ermannen, und auch die Sieger müssen sich in manchem wandeln; das große Rad hat sich gedreht. Auch mit den Negern kann der weiße Mann nicht mehr machen, was er will. Das ist wahr.«
    Queenie hatte ihre Kinder gestillt, und die beiden schlummerten wieder zufrieden. Sie hatte dem Gespräch gelauscht, und da die Männer jetzt nichts mehr sagten, sprach sie einen Gedanken aus, der sie bewegte: »Die Kandare, Stonehorn, wird manchmal auch erst außerhalb der Reservation angelegt, dann, wenn sie einen immer beobachten, weil man ein Indianer ist, und immer lauern: Schaut – wie wird er sich jetzt verhalten? Das ist auch eine Strafe.«
    »Die mich in Calgary erwartet! Los, laßt uns weiterfahren.«
    Joe erhob sich.
    Die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung.
    Nach einigen Stunden Fahrt durch eintöniges Gelände bezogen die Reisenden in einem einfachen Motel Nachtquartier. Joe lag in der Garage bei seinem Schecken.
    Die zweite Tagesfahrt führte an das erste Etappenziel, zu den Wood-Hills.
    Grün, sanft, von waldigen Streifen durchzogen, dehnten sich diese Hügel unter der Sommersonne. Okute hatte sich als alter Mann ein Haus auf einem Hügel gebaut, von dem aus er weit über das Land schauen konnte, an klaren Tagen wohl hundert Meilen weit, fast bis hinunter zum Missouri. Queenie, die Kinder und Untschida blieben hier zu Gast. Okute fuhr mit Stonehorn zurück zu den Ranches seiner Verwandten und Freunde am Fuße der Hügel. Der Schecke war schon dort geblieben. Das Ranch-Haus, in dem Okute mit Stonehorn einkehrte, war geräumig, da es eine große Familie

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