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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ritt heran. Er hatte Okutes Pferd am Zügel, das inzwischen wieder aufgekommen war. Der Schecke stand ledig da und äugte. Stonehorn rief das Tier, und es lief seinem Herrn zu.
    Der Bulle ruckte noch hin und wieder, hatte aber im wesentlichen seinen Widerstand aufgegeben. Es war unmöglich für ihn, auf die Beine zu kommen.
    Der Senior schob seinen Hut wieder in richtigen Sitz. »Euer Bullenfangen im Team war ein hübsches Stück. Das ist dem Wilden da wohl noch nie vorgekommen, und das machen sie euch auf keinem Rodeo nach.« Er lachte. »Schade, ihr Leute, daß es dafür keinen Preis gibt.«
    Die brüllenden Kühe aus den Wagen herauszuholen, machte noch einige Mühe, doch waren diese Schwierigkeiten vergleichsweise nicht zu rechnen. Die Cowboys trieben die vier Kühe zusammen. Die Wagen rollten ab.
    Blieb noch der Stier.
    »Was denkst du?« fragte Stonehorn den Senior-Cowboy.
    Der Senior antwortete der Frage mit einem Blick aus den Augenwinkeln. »Zweimal in einer Stunde hältst du den Büffelkopf nicht fest, King.«
    Joe wurde sich bewußt, daß seine Hände noch zitterten; er hatte das letzte an Kraft hergegeben.
    »Laß ihn liegen, bis der Hunger ihn schwach macht«, schlug der Senior vor. »Um ehrlich zu sein, wir waren alle froh, als du den Burschen da weggekauft hast. Wir hätten ihn dir schenken sollen. Er macht immer Schwierigkeiten.«
    Stonehorn legte dem Tier die Hand auf die Kruppe, und es war, als ob er in sich und den Büffel hineinhorche.
    »Er wird seinen Frieden mit uns machen«, meinte er dann. »Treibt die Kühe in die Nähe. Ich gebe ihn frei.«
    Nach Ankündigung dieses Plans verschwand alles von der Wiese außer Okute und Alex Goodman. Diese beiden blieben zu Pferd bei den Kühen. Stonehorn hatte ihnen seinen Schecken ledig mitgegeben.
    Er trat an den Bullen, der regungslos dalag, heran und löste blitzschnell das Lasso, das die Beine fesselte. Der Stier sprang auf und galoppierte ein Stück. Als er sich seiner Bewegungsfreiheit versichert hatte, trabte er zu den Kühen. Die Herde war beisammen.
    Goodman und ein zweiter junger Bursche von der Reservation übernahmen es mit Mary zusammen, die kleine Büffelherde zu hüten, die sich erst eingewöhnen mußte. Beim Hause der Kings begann die große Festmahlzeit. Queenie brachte den drei noch beschäftigten Hirten ihr Teil. Es hatte niemand gewagt, eine verdächtige Flasche mitzubringen. Seit den Ereignissen des vergangenen Festes wußte jedermann, daß Brandy hier mit Hohn und mit Pistolen beantwortet wurde. Der Verzicht fiel im übrigen nicht schwer, denn einmal Fleisch zu verzehren, soviel man wollte, war für die schlecht und einseitig ernährten Menschen schon die Wonne eines Rausches.
    Bis spät in die Nacht wurde viel gegessen, viel gelacht und viel erzählt. Es fiel das Wort von Chief Okute und Chief Joe King. An den Feuern wurden alte Lieder gesungen. Inya-he-yukan der Altere berichtete von den Büffeljagden, die er einst mitgemacht hatte. »Töten ist nicht schwerer als fangen. Aber damals waren es Tausende, und zuweilen kamen wir ins Gedränge.«
    Auch Kate Carson und Haverman fühlten sich wohl. Erst nach Mitternacht verlief sich die Schar der Gäste. Die fremden Cowboys und die Fahrer, die auch mitgefeiert hatten, fuhren zurück.
    Es wurde wieder still im Tal; der Mond hing am Himmel über den weißen Felsen. Auf den Wiesen, an den Hängen weideten die Büffel. Okute legte Stonehorn die Hand auf die Schulter. »Ich habe es noch gesehen.«
     

Calgary
     
    Eines Morgens wollte Queenie nicht zur Schule gehen.
    »Fahr mich zum Krankenhaus, Joe; es ist soweit.«
    Er fuhr seine junge Frau zu dem großen hellen Gebäude in der Agentursiedlung. Dort wurde sie ihm abgenommen, und er hatte zu warten. Er wartete diesmal ohne irgendein Angstgefühl. Nach zwölf Stunden konnte er zwei kleine braunhäutige Lebewesen bewundern, einen Jungen und ein Mädchen, und er durfte seine Frau sehen, die nach den Schmerzen der Geburt im weißbezogenen Bett lag.
    Zehn Tage danach holte er seine Familie ab und stellte fest, daß der Zweisitzer bald zu klein sein würde. Die Säuglinge waren wohlgenährt und zufrieden. Stonehorns Stimme klang weich, wenn er zu seinen Kindern sprach. Die Zwillinge hielten sich, was ihren Hunger anlangte, ebenso ausschließlich wie gierig an ihre junge Mutter, die ihnen die Nahrung spendete. Autofahren war ihnen genehm.
    Daheim fand Queenie die sehr geliebte Großmutter vor. Die alte Frau war nicht weniger selig als Queenie. Sie

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