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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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mit elf Kindern beherbergen mußte. Joe fand leicht Platz, auch Okute, der die nächste Woche mit Joe hier bleiben wollte. Zu der Ranch gehörten dreihundert Stück Vieh und zehn bucking horses.
    Joe ging noch am Abend mit dem indianischen Besitzer namens Beaver umher und sah sich an, wieviel leichter es war, auf solch fruchtbarem Land zu etwas zu kommen. Der Schecke weidete auf saftiger Wiese zwischen Hecken.
    Am nächsten Morgen begann Joe sein Training fortzusetzen. Es zeigte sich in den folgenden Tagen, daß er stets die nach den Rodeo-Regeln vorgeschriebene Zeit auf dem Rücken des bockenden Pferdes durchhielt, aber nicht immer in gleich guter Haltung. Die tollsten Einfälle der Pferde während des Kampfes meisterte er stets, aber wenn sich ein Tier einmal durchschnittlich langweilig verhielt und ohne Überraschung bockte, wurde Joe sofort nachlässig.
    Okute sagte nicht viel, wenn er Joe beobachtete und kritisierte; nur wenige Worte drückten aus, was Joe noch besser machen könne. Aber der Rancher Bernard Beaver bemerkte zu Okute: »So etwas habe ich auf allen unseren Rodeos noch nicht gesehen. Er ist ein Genie für Pferde.«
    Der Schecke war seinem Herrn ebenbürtig und niemals um Einfälle verlegen.
    Am neunten Tag hieß es, dem Plan entsprechend Abschied zu nehmen.
    Auch Okute und Joe verbrachten den letzten Abend oben bei Okutes Haus auf dem Hügel und schauten über das weite Land. »Hier habe ich fast Nacht für Nacht eine Stunde gestanden und zurückgeschaut… auf den Weg, den wir einst hierhergezogen sind. Ohne Wagen, mit unseren Travois, im Winter, hinter uns den Feind und vor uns Feinde. Ein kleines Häuflein. Von meinem vierundzwanzigsten bis zu meinem zweiundsiebzigsten Jahr habe ich gewartet. Bis dahin wart ihr eingesperrt drunten auf unserer Reservation, und ich galt als ein Rebell, auf meinen Kopf stand ein Preis; und ich konnte euch nicht besuchen, wenn ich nicht enden wollte wie Tatanka-yotanka und Tashunka-witko. Die Fäden rissen ab. Endlich, in meinem vierundachtzigsten Jahr, kam einer von euch herauf und holte sich meine Urenkelin Winonah zur Frau. Das war dein Vater, Joe, der alte King. Winonah ging mit ihm und blieb für mich verschollen. Sie schrieb mir nie. Nach Jahrzehnten erst kam Tashinas Brief.«
    »Die meisten von uns wußten gar nicht mehr, daß es auch hier oben noch Männer unseres Stammes gibt.«
    »Ein Drittel von dem Land, von dem Ranchland, das ihr gesehen habt, gehört noch mir. Land für hundert Stück Vieh. Das ist zuwenig für eine Familie, aber genug für einen Alten wie mich oder für einen Jungen, der anfangen will. Ich habe dieses Land an die Familie Beaver nur verpachtet. Wenn deine Kinder groß werden, Joe, soll eines diese Weiden haben.«
    Okute sah, daß Queenie am Weinen war.
    »Du mußt nicht weinen, Tashina. Bei unserem Stamm wußten die Alten immer, wann es gut war zu sterben. Jetzt kann ich noch reiten und laufen. So will ich sterben und bei den weißen Felsen ruhen, um meinem Häuptling Tashunka-witko nahe zu sein. Im Tode gehe ich heim.«
    »Zuweilen werde ich selbst schon hier heraufkommen, Okute«, sagte Joe, »und wieder Luft holen. Es ist auch ein guter Platz für eines unserer Kinder.«
    Man ging zurück zum Haus, und jeder legte sich schlafen.
     
    Niemand wußte, daß Inya-he-yukan, der Alte, mit seinem bürgerlichen Name Okute genannt, in der Nacht noch einmal allein hinausging zu dem Platz, wo er viele Jahre täglich gestanden hatte. Er erhob die Hände und betete zu dem Großen Geheimnis um Nahrung und Frieden für sein immer noch gequältes und doch wieder zum Leben erwachendes Volk. Es war für ihn das letzte Mal, daß er unter dem weiten Himmel auf diesen Hügeln stand und in die Ferne schaute. Er wollte nicht mehr hierher zurückkehren. Als er wieder in das Haus ging, sah er die schlummernden Kinder im Arm der Mutter, die selbst in guten Träumen lag.
     
    Die Fahrt ging am nächsten Morgen weiter. Die Strecke war lang, fünfhundert Meilen, aber an einem Tag zu nehmen, und die Kings sowie Okute wurden gegen Abend schon erwartet. Collins, ein großgewachsener Indianer mit der Haltung des Ratsmannes, war auf die Nachricht vom Eintreffen der Verwandten hin entgegengefahren. Man grüßte sich zunächst nur mit der flachen erhobenen Hand. Collins wendete, und um sein Fahrzeug vermehrt, kam die Kolonne auf der Reservation des befreundeten Stammes an.
    Stonehorn hatte nicht nur auf den Weg, sondern zugleich schon auf das Vieh und seine Weiden

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