Nacht über der Prärie
geschaut. Alle Wiesen waren eingeteilt, mit Zaun oder Hecke umgrenzt. Dazwischen wogten Getreidefelder. Das stammeseigene Dresch- und Vorratshaus grüßte mit seinem Turm. Das Rathaus des Stammes war als großer geräumiger Rundbau errichtet. Collins machte dort einen Augenblick halt und zeigte seinen Gästen das Innere. In der Vorhalle schauten die Bilder der berühmten Häuptlinge auf den Eintretenden. Die Nachkommen dieser Männer hatten jetzt noch ihre Ämter auf Lebenszeit inne. Der nächste Raum war nicht nur für die Beratungen vorgesehen. Der eingelegte Boden verriet, daß hier im Winter auch die sportlichen Wettkämpfe der jungen Indianer stattfinden durften.
»Wie habt ihr das gemacht!« Joe war überwältigt.
»Die Autorität weitschauender Häuptlinge und eine aufblühende Stadt an der Reservationsgrenze«, antwortete Collins, »mehr nicht. Wenn du dich bei unserem Bruderstamm, zweihundert Meilen weiter, umsiehst, so findest du etwas anderes: Der alte Häuptling säuft, der Sohn trampt, die Familien quälen sich auf kleinen Ranches, die nicht wettbewerbsfähig sind, das Erdgas kann nicht genutzt werden, weil die weißen Verwaltungsbeamten kein Risiko übernehmen wollen und in der Nachbarschaft nichts los ist, und alle sind voll von Enttäuschung und Haß. Das ist das Resultat von fünfunddreißig Jahren Patriarchat des Superintendent und einem ständigen Wechsel der Chiefs.«
»Wieviel Vieh hast du?«
»Sechshundert Stück, dazu vierzig Pferde, bucking horses, und das machen wir mit einem Angestellten. Ich habe mir einen Weißen geholt, von dem ich lernen kann.«
»Und eure jungen Burschen?«
»Für die haben wir eine gemeinsame Ranch, eine Schulranch, auf der sie mit der Arbeit vertraut werden. Alles noch freie Land verpachten wir an Weiße und speichern die Pacht auf, um neue Ranches für unsere jungen Männer einzurichten, sobald es soweit ist.«
»Das gibt es also auch.«
»Ja, das gibt es auch. Aber wann kommt schon einmal einer, um sich das bei uns anzusehen!«
Die Kolonne fuhr weiter zu dem Wohnhaus der Familie Collins. Es war ein modernes Ranchhaus mit großen Glasfenstern. Das Unterkommen für die Gäste war schon vorbereitet. Es war nicht viel Platz vorhanden, aber man konnte sich einrichten. Die Ranch hatte einen eigenen Brunnen, den Collins hatte bohren lassen. Das übrige Wasser auf der Reservation war gesundheitsgefährlich; der nahe Fluß und das Stauwerk gehörten nicht zum Reservationsgelände.
»Leicht haben sie es euch auch nicht gemacht.«
»Nein, leicht nicht. Aber wir hatten unsere Erfahrungen aus eurem Beispiel gezogen. Wir haben nicht mehr zu den Waffen gegriffen, um uns zu verteidigen, und wir galten darum nicht als Rebellen, die man ein für allemal bestrafen und klein halten wollte. Unsere Häuptlinge wurden nicht ermordet oder vertrieben, und wir hatten einen großzügigen Superintendent.«
»Gott gebe mir auch einen.«
»Vor allem gebe er dir einen guten Tag in Calgary.«
Stonehorn sah sich in der kleinen, aber gut ausgewählten Bibliothek seines Gastgebers um und fand außer Büchern auch aktuelle Zeitschriften von Indianern und für Indianer; er las die ›Erklärung der Menschenrechte‹ des Indianers in der ›Bruderschaft der Ureinwohner‹, auch die Berichte über verschiedene Ereignisse und Entwicklungen in den Nachrichtenblättern, die von Indianern und ihren weißen Freunden gemeinsam herausgegeben wurden; ein neuer Horizont der Hoffnung erweiterte seinen alten Gesichtskreis. Er notierte sich die Herausgeber und ihre Adressen, denn solche Verbindungen wollte er künftig aufnehmen.
Queenie wurde unterdessen mit Evelyn Collins bekannt, der Frau des Ranchers, die ihr Geschlecht auf den Häuptling Red Crow und das ihrer Mutter und die Schwester des alten Inya-he-yukan zurückführte. Sie war eine stolze Frau, ganz Indianerin, und erinnerte Queenie an Frau Holland.
Der Schecke kam auf die Weide, und Collins hatte seinen Spaß daran, daß dieses Pferd nun wieder bei ihm auftauchte. »Wenn Okute nicht euren Brief gehabt und mir von dem Diebstahl geschrieben hätte…, wahrhaftig, ich hätte ihn angekauft.«
»Du kannst ihn haben.«
»Ich würde ihn in Calgary verkaufen, Joe, und das tust du jetzt besser selbst. Sie suchen bucking horses, schon für das kommende Rodeo.«
»Wie du meinst.« Joe hatte bei der scheinbar guten Nachricht den Kopf gesenkt.
Als der Tag der Abreise näher rückte, schlug Collins noch einen Ausflug zu dem zu der Reservation
Weitere Kostenlose Bücher