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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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wohnte jetzt mit Okute im Zelt und sorgte dort für alles in der Weise, in der Indianer früher gelebt hatten. Dabei blieb ihr viel Zeit für Queenie und die Kinder übrig.
    Die Rektorin Frau Holland und einige Mitschülerinnen Queenies kamen und wünschten Glück, und dann kamen sie und brachten Aufgaben. Unterdessen übte Stonehorn mit seinen Pferden, kümmerte sich um die Büffel und war abends nicht weniger müde und nicht weniger zufrieden als seine Frau.
    Okute beobachtete unauffällig. »Wenn ihm nichts dazwischenkommt, wird er seine Sache gut machen«, sagte er Untschida.
    »Ja, er ist wahrhaftig dein Sohn, Inya-he-yukan.«
    Es wurde Ende Juni. Queenie dachte gelegentlich daran, daß jetzt ihre Mitschüler auf der Kunstschule bald das Baccalaureat machen würden, wie sie es im vergangenen Jahr miterlebt hatte. Aber noch mehr weilten ihre Gedanken bei der eigenen Prüfung, die sie ablegen sollte. Es war ihr manches verlorengegangen dadurch, daß sie nach der Geburt als Mutter zweier Kinder die Schulstunden nur auswahlweise besuchen konnte, und sie sah dem Examen mit einigern Bangen entgegen. Doch war sie die Beste geblieben. Am Tage der Feier ging sie im Talar, mit dem viereckigen Barett in der Reihe der anderen mit. Der Fries war vollendet, und unter dem Eindruck der Bilder aus der Geschichte ihres Volkes hörte sie das Schulorchester und die Rede des Superintendent Hawley, der von den Aufgaben und Pflichten der jungen Indianer sprach. Auf den Bänken im Saal saßen die Familien. Die Halketts waren vollzählig gekommen bis auf Henry, der wieder einmal auf Haus und Vieh achten mußte. Okute war da, Untschida, Joe mit den beiden Kindern.
    Queenie vergaß, Hawley zuzuhören, und dachte an die Worte, die der Sprecher der Schüler ein Jahr zuvor auf der Kunstschule zu den Burschen und Mädchen gesagt hatte. Sie war eine Indianerin, und sie wollte Erde und Quellen, Gras und Himmel, Mond und Sonne und ihre Ahnen nie vergessen.
    Nach der Feier brachte Frau Holland einen Brief der Kunstschule und einen Brief von Queenies Freundin Ella aus der Kunstschule, dem Mädchen aus dem Stamm der Hopi. Queenies bereits verkauftes Ölgemälde ›Tanz in der Nacht‹ sollte noch auf einer Ausstellung alter und moderner indianischer Kunst in Washington gezeigt werden.
    Queenie wurde es heiß vor Freude in dem Gedanken, daß sich ein neuer Pfad öffnete, auf dem sie weitergehen und wirken konnte als Mensch, als Künstlerin, als Indianerin. Die Periode ihres Schaffens, in der sie ihre Gedanken und ihr Empfinden, ihre Sicht der Welt, im Kunstwerk ausdrücken, aber zugleich verbergen wollte, war vorüber. Es schien ihr an der Zeit zu bekennen, was ein Indianer war, und sich nicht mehr vor anderen zu scheuen und zu schämen. – Ella erzählte in ihrem Brief ausführlich von allen Mitschülern und zuletzt von sich selbst. Auch sie hatte ihr Baccalaureat bestanden und wollte nun eine Kunsthochschule besuchen; das Stipendium war schon bewilligt. Alle weiteren Pläne lagen in der Ferne, aber gewiß schien auch ihr, daß sie ihr Volk nie vergessen wollte. Wie sehr bewunderte sie Queenie, die, im letzten Jahr reifer geworden als alle ihre Altersgenossen, das beste Werk der ganzen Klasse ›Tanz in der Nacht‹ geschaffen hatte. Queenie hatte den Brief schnell durchgelesen und schaute nun auf, denn Frank Morning Star war herbeigekommen. Er begrüßte sie und freute sich darauf, daß die anerkannte junge Künstlerin sich um das neue Museum kümmern würde.
    »Es ist gut, wenn sie das tut«, bemerkte Joe und gab die Babies an die Großmutter ab. »Sonst hängt ihr zu viele hellgrüne Birken, glotzäugige Büffel und gefiederte Indianer auf.«
    »Joe, spotte nicht über unseren alten Herman Hawk, der sich soviel Mühe gibt.«
    »Ich spotte doch, ich kann es nicht lassen, das weißt du ja. Eivie und Hawley besitzen bessere Werke indianischer Kunst als ihr vom Stammesrat.«
    »Sind sie darum auch bessere Indianer?«
    »Nein. Aber wir könnten es werden.«
    Die jungen Leute fanden sich zusammen, doch unter Frau Hollands strenger Regie durfte nicht getanzt werden. Einen Twist zur Baccalaureatsfeier gab es nur auf der sittenlosen Kunstschule.
    Noch vor Mitternacht waren alle Menschen und alle Wagen verschwunden; still lag das Schulgebäude, bereit, den nächsten Jahrgang aufzunehmen, der den verbissenen Mister Teacock nicht mehr kennenlernen würde. Die sanfte junge Negerlehrerin freute sich schon auf ihre neuen Schüler.
    Die Ferien begannen.
    Vater

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