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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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geglaubt hatte, daß sie hier nicht werde leben können.
    Stonehorn war eben damit beschäftigt, den Körper des Vaters in eine Wolldecke einzuschnüren, so daß der betrunkene Alte nicht mehr gefährlich werden konnte. Die Zunge war wieder in den Mund zurückgeglitten, aber offenbar war der alte Mann nicht bei Bewußtsein. Stonehorn legte ihn wie einen Kranken auf das Schlafgestell, wo er gelegen hatte, trat an die Tür und steckte sich eine Zigarette an. Beim Aufflammen des Feuerzeugs erkannte Queenie, daß Stonehorn aus einer Kopfwunde stark blutete.
    Er bemerkte ihren besorgten Blick. »Laß, ich habe gutes Blut. Es gerinnt rasch. Nur schade um das weiße Hemd. Aber nun wissen wir wenigstens, wofür wir das viele Wasser geschleppt haben.«
    Er zog das Hemd aus und warf es in einen der Bottiche.
    Er ging in den Raum zurück, stellte den Tisch auf und rückte das Ofenrohr mit einiger Mühe wieder zusammen. Er sicherte das Jagdgewehr des Vaters und holte unter seinem Schlafgestell etwas hervor. Als er es auswickelte, zeigte sich, daß es die gesuchte Flasche war. Er nahm einige kräftige Schlucke, bot der bebenden Queenie einen weiteren an, um den sie in diesem Augenblick froh war, und goß den übrigen Brandy aus. »Alles Mistbrühe, was die Laura hierher schmuggelt. Wenn wir zwei einmal nach New City fahren, trinken wir Black and White.«
    »Das Trinken ist uns streng verboten.« Das war das erste, was Queenie hervorbrachte.
    »Joe King hat noch immer gewußt, wo er bekommt, was er will. – Bist du sehr erschrocken?« fragte er dann sacht und ablenkend. »Es war nichts. Er wird seinen Rausch ausschlafen, und morgen wird er wieder der freundlichste Mann sein. Aber unser Land hier hat er an Isaac Booth verpachtet… und es ist wahr, was er sagt. Ich will nicht von deinem Geld leben.«
    Queenie war unfähig, noch ein Wort zu sagen.
    Sie legte sich mit ihrem Mann zusammen auf den schmutzigen Decken schlafen, drückte mit ihrer Hand den Riß an seinem Kopf zusammen, bis er ganz aufhörte zu bluten, und vernahm dabei das Röcheln und Schnarchen des Betrunkenen und Gefesselten auf der anderen Lagerstatt.
    Als sie noch lange wach gelegen hatte und merkte, daß auch ihr Mann nicht schlief, flüsterte sie: »Er kann es nicht einfach verpachten. Es ist Stammesland, und er braucht die Zustimmung des Rats und des Superintendent.«
    »Der Rat und der Superintendent sprechen mit der Zunge des Isaac Booth. Für einen Joe King ist es nicht so leicht, einen neuen Anfang zu machen. Wo soll ich nun Arbeit finden?«
    Sie lagen beieinander, und endlich schliefen sie für wenige Stunden ein. Mit der frühen Dämmerung des neuen Sommertages waren sie wieder wach. Der Vater wälzte sich und wunderte sich, und Stonehorn stand auf, um ihm die Riemen und die Decke abzunehmen.
    »Was hast du denn mit mir gemacht, Sohn?«
    Der Alte lief aus der Hütte, erbrach sich, und dann war zu hören, wie er sich an einem Eimer wusch.
    Als er wieder hereinkam, sagte er zu Queenie: »Du bist ein gutes Kind. Was hast du für Wasser geschleppt!« Und zu seinem Sohn: »He, Joe, hast du nicht einen Tropfen für mich?«
    »Nicht einen. Es ist alles ausgelaufen.«
    Der Vater schaute verblüfft um sich. Er begriff wohl nicht gleich, worauf diese Worte zielten, dann sah er die zerbrochene Petroleumlampe, und die Erinnerung kam ihm. »Ach, alles ausgelaufen.«
    Queenie wusch sich gründlich hinter dem Haus und zog sich sorgfältig an. Stonehorn betrachtete ihr Verhalten prüfend, sagte aber nichts, sondern reinigte nur sein Haar von Blut, sattelte seinen Hengst und ritt weg. Als er verschwunden war, sattelte auch die junge Frau. Der Vater fragte sie nicht nach ihrem Vorhaben. Er setzte sich auf eine kleine Bank an seinem Haus und schaute in den Morgen, hangaufwärts, wo er die Straße nicht zu sehen brauchte und auch nicht die große Ranch der Familie Booth.
    Queenie ritt nicht in Richtung der Agentursiedlung wie ihr Mann, sondern lenkte auf die andere Talseite, wo das Haus der Booths stand. Wenn die vergangene Nacht das Schauerlichste war, was in ihrem jungen und gutgläubigen Leben je über sie hatte kommen können, so erschien ihr das, was sie nun plante, als das Schwerste, was sie sich je selbst vorgenommen hatte.
     
    Sie erreichte die Nachbarranch. Rings um das Haus der Booths war Morast, von Vieh zertrampelt, aber Queenie mit ihrem Pferd kam leicht durch.
    Vor dem Haus stand die eine noch unverheiratete Tochter der Booths, ein grobes, tüchtiges

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