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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hat mir meine Gangster zu Säuen gemacht.«
    Während der weiteren Fahrt, auf der kein Wort mehr gesprochen wurde, war Queenie in Gedanken bei dem stürmischen Tag, an dem sie, von der Schule heimkehrend, die Straße in umgekehrter Richtung gefahren war. Das Zeltgerüst, die Holzfassade des Schaustellungsforts, das Wächterhaus flogen an ihr vorbei. Der Gegenwind zauste an ihrem Haar. Damals war sie in ihr Geschick hineingefahren. Sie bereute nichts. Nichts. Was aber in ihr würgte, das war die Selbstverständlichkeit, mit der ihr Mann von den Gangstern sprach. Sie begriff, daß das seine Welt, sein tägliches Leben gewesen war, daß er die Ungerechtigkeit der Bürger und ihre Gesetze hassen gelernt, daß er Verbrechen nicht verhindert, Gesetzloses mit angeführt hatte, daß diese Unmenschen, die ihr des Nachts in der Prärie begegnet waren, als seine Brüder gegolten hatten. Er hatte sie niedergeschossen. Aber wenn er von ihnen und ihresgleichen sprach, sprach er heute noch von ›Arbeit‹, wie er als Rancher von einem Pferd sprach, denn mit ihnen zusammen hatte er sich jahraus, jahrein Nahrung, Kleidung und Obdach verschafft; unter dem Kommando solcher Männer hatte er sich angestrengt. Queenie ging der Sinn des Wortes ›Berufsverbrecher‹ von dieser Seite her auf.
    Stonehorn fuhr gleichmäßig eine auf der einsamen Straße vernünftige Geschwindigkeit von fünfundsechzig Meilen in der Stunde. Er lenkte nicht in die Stadt hinein, sondern fuhr auf einem Umweg gleich zu den Slums und zu dem Haus von Elk. Die Kinder spielten wieder davor wie damals. Sie erkannten Queenie und Joe King und freuten sich. Elk und seine Frau waren zu Hause. Es schien, daß sie von dem Kommen der Kings schon unterrichtet waren. Joe gab Queenie den Zündschlüssel und verabschiedete sich, um gleich bei den Rodeo-Managern vorzusprechen. Das Rodeo-Feld lag außerhalb der Stadt, nicht weit von dem Vorort entfernt. Queenie spielte mit den Kindern, und als die Mutter diese früh schlafen gelegt hatte und auch sich selbst müde dazulegte, saß Queenie noch mit Elk auf dem zweiten deckenbelegten Gestell. Die Petroleumlampe war gelöscht. Es wurde dunkel, der Mond stand mit seinem freundlich-blöden Gesicht am Himmel und täuschte die Menschen mit geborgtem Licht über seine Öde hinweg. Für Queenie aber war der Mond noch mehr als ein Gestirn. Er war Magie.
    Als es elf Uhr nachts wurde und Joe noch nicht zurückgekommen war, legte sich Queenie auf eine Kante neben Frau und Kinder, und Elk ließ sich auf dem freien Gestell zum Schlafen nieder. Eine Stunde nach Mitternacht kam Joe. Er warf sich neben Elk hin und war sofort eingeschlafen. Queenie studierte im Mondlicht noch seine Züge. Sie wollte nicht einen einzigen vergessen. Jetzt, wo sie allein noch wach war, wurden ihre Augen naß. Sie dachte auch daran, daß Joes Atem nach Alkohol gerochen hatte, nach gutem Whisky.
    Am Samstagmorgen waren alle früh auf, obgleich dieser Tag in der Fünftagewoche schon Feiertag war und niemand zur Arbeit ging. Aber Elk liebte ein ruhiges Beisammensein vor dem Gottesdienst, den er in der kleinen Holzkirche der Armen zu halten hatte. Joe hatte Frühstück mitgebracht, und so war die Familie Elk dieser Sorge enthoben. Man saß zusammen auf den Schlaf- und Sitzgestellen und aß. Hier war alles ruhig und in seiner menschlichen Ordnung, wenn es auch sonst täglich nichts als Schwarzbrot auf dem Tisch gab. Seinen Lohn teilte Elk mit Arbeitslosen, die keine Unterstützung empfingen.
    Da Joe wohl wußte, was man von ihm hören wollte, erzählte er: »Es wird etwas anders laufen, als ich vorgesehen hatte. Ich wollte das Stierringen mitmachen, dafür habe ich eingezahlt und auch für das Kälberfangen im Team. Nun fehlt ihnen aber ein Bronc-Reiter. Sie haben ein gutes Pferd, kräftig, elastisch und mit vielen Tücken, einen der richtigen Teufel. Es wäre schade, das Pferd nicht zu reiten… tatsächlich, es wäre schade. Aber Bronc und Stierringen an einem Tag, das wird dem stärksten Mann zuviel, und ich hatte auch kein Training mehr im letzten Jahr. Aus dem Kälber-Team kann ich nicht heraus, das kann ich Russell nicht antun. Das ist auch keine Arbeit. So ein hilfloses kleines Hinterbein hat mein Lasso gleich eingefangen.«
    »Und was ist nun die Frage?« erkundigte sich Elk.
    »Das Geld. Sie geben mir den Einsatz für das Stierringen nicht mehr heraus, und wie das mit dem Einsatz für Bronc gemacht werden soll, wissen sie auch nicht. Es ist eingezahlt, aber der

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