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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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war und seine Geschwindigkeit beschleunigen konnte. Der Wagen hatte als Sportwagen die Karosserie eines Cabriolets. Es war ein Zweisitzer. Stonehorn fuhr ihn offen. Tashina dachte einen Augenblick, daß man ohne Dach einem Schuß noch mehr ausgesetzt war, und Stonehorn schien ihrem Blick und vielleicht einer Kopf- und Schulterbewegung entnommen zu haben, woran sie dachte, denn er sagte:
    »Unsere Vorfahren haben nackt gekämpft. Ich tue das auch gern, wo es möglich ist. Nackt im offenen Gelände. Kleider und Wände behindern nur die Bewegung und die Übersicht. Aber das ist natürlich Geschmacksache. Mike zum Beispiel will immer etwas um sich haben, und ich kann nicht sagen, daß er darum viel schlechter sei als ich.«
    »Wer ist das, Mike?«
    »Er ist Gangsterboss, und er ist mein Boss gewesen. Er wird morgen nach New City kommen, daran gibt es keinen Zweifel. Wenn du schon durchaus mit dabeisein willst, kannst du mir etwas helfen. Ich muß wissen, wo und wann Mike und Jenny auftauchen.«
    »Wie sehen sie aus?«
    »Mike hat eine Boxernase. Er war Schwergewicht, nicht Weltklasse, aber nahe daran. Ein Nierenschlag hat ihn ausgebootet. Das ist nach wie vor seine schwache Stelle. Er hat eine unverständige Angst davor, daß sich so etwas wiederholen könnte. Aber das geht dich nichts an. Du mußt auf das rechte Auge schauen. Das Lid ist zerfetzt. Er wirkt wie ein Bär, nicht wie ein alter Grizzly, sondern wie ein geprügelter, heimtückisch gewordener Zirkusbär. Er hat auch eine Brummstimme. Was er bevorzugt, sind rosa Halstücher mit blauen Streifen. Er läßt sie sich anfertigen. Das ist eine kindische Manie von ihm. – Ich muß also wissen, wo er auftaucht. Er ist viel schneller, als ihm einer zutraut, vor allem mit der Maschinenpistole. Colt hat er schon halb verlernt. Er ist der Eintreiber gegen mich.«
    »Warum will er dich vernichten?«
    »Er hat mich seinerzeit herangeholt, ich galt als sein Geschöpf, und darum ist er als erster mein Femerichter. Jenny haßte mich von der ersten Begegnung an, wie ich ihn. Jenny hat mir auch meine Gang aus der Hand gewunden und zu einem Haufen Dreck gemacht, während ich in Untersuchungshaft war. Sie hatten mich in einem Mordprozeß als Strohmann vorgeschickt, die Indizien nur allzu gut zusammengestellt – nach Jennys Einfällen. Indianer und Mord, das ist für Geschworene auch jederzeit plausibel. Es wäre beinahe schiefgegangen.«
    »Stonehorn! Wer ist der wahre Mörder?«
    »Sie sind nicht so dumm gewesen, mir das zu sagen. Die Verhöre sind ein wenig anstrengend. Übrigens muß es Jenny gewesen sein.«
    »Jenny ist Mikes Frau?«
    »Jenny ist ein Mann, Kind, den du aber leicht mit einer Frau verwechseln könntest. Er hat blonde Locken, er hat so unwahrscheinlich blonde Naturlocken, daß du ihn sofort erkennst. Früher hätte das einen schönen Skalp abgegeben. Er ist einer der widerlichsten und gefährlichsten Burschen, die ich je getroffen habe. Er ist zweiter in der Gang, in der jetzt James mitarbeitet, der mir entkommen ist. Jenny hat sich diesen James geholt. – Schaue also nicht nur auf die Pferde und auf die Kälber und auf deinen Mann, sondern laß deine Augen auch sonst ein wenig in die Runde gehen. Beim Rodeo schießen sie mich natürlich nicht ab, aber ich will wissen, wie sie sich postiert haben und mit wem sie sprechen oder mit wem sie pfeifen. Verstanden? Der Kriegstanz geht vielleicht abends bei einem bestimmten Shake los; ich weiß nicht, ob sie schon etwas verabredet haben. Es sind jedenfalls die Newt Beats verpflichtet, eine viel zu teure Gruppe für eine mittlere Stadt; es wird also Tumult geben und hysterisches Gehabe; das ist, was sie brauchen. Wenn sie dabei nicht zum Ziel kommen, dann vielleicht bei der Heimfahrt. – Nach Harold brauchst du übrigens nicht Ausschau zu halten, den beobachte ich selbst.«
    »Stonehorn, ich bitte dich, denke an Mary.«
    Als Queenie dies gesagt hatte, sah sie ihrem Mann an, daß es besser für sie gewesen wäre zu schweigen.
    »Er hat mich einen Dieb geheißen, und er wußte wohl, daß ich nicht gestohlen hatte. Ich kam ins Gefängnis… das war der Anfang. Als ich entlassen wurde, mochte ich nicht mehr zurückgehen, nicht mehr in diese Schule, wie der Gefängnisdirektor dem Superintendent doch empfohlen hatte, nicht auf diese Reservation, auch nicht mehr zum Vater. Ein Rechtsanwalt, der mit mir gesessen hatte, machte Mike auf mich aufmerksam. Ich fing an, bei ihm zu arbeiten. Um mich zu rächen. An allen. Aber Jenny

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