Nacht über der Prärie
Queenie blieb starr in der Qual der Angst. Sie fühlte sich völlig ohnmächtig gegenüber dem, was jetzt geschehen sollte. Jede Bewegung, die sie etwa machen, jeder Laut, den sie ausstoßen würde, konnte den Angriff auf Joe und seinen Tod nur beschleunigen. Wenn er sich nicht allein zu helfen vermochte, war er verloren.
Mike warf einen raschen Blick auf Jenny.
Jenny gefiel auch Mike nicht, und Mike konnte nicht vergessen, was Joe über Jennys Beziehungen zu der Mike feindlichen Gang Leonard Lees angedeutet hatte. Doch konnte Mike Jenny nicht beseitigen lassen, solange zwischen Joe und Jenny nach aller Meinung nur Privathaß herrschte. Keiner der Gangster hätte es gebilligt, wenn Jenny in diesem Augenblick preisgegeben wurde, wie Joe verlangt hatte. Joe war zu offensichtlich unzuverlässig geworden. Er hatte es gewagt, sich auf die Kiste zu setzen und sie durch einen Fremden besetzt zu halten.
Mochte ihm noch die Genugtuung zuteil geworden sein, mit James abzurechnen, aber nun war es aus. Das alles schoß Mike durch den Kopf, als er schon hätte pfeifen und handeln müssen. Aber es erging ihm jetzt so, wie es ihm damals ergangen war, als er einem skrupellosen Gegner die Gelegenheit zum Tiefschlag gegeben hatte. Jenny wurde sich mit einem Gedankenblitz unsicher, was Mike nun tun würde, ob er die Absicht hegte, mit Jenny oder mit Joe gemeinsame Sache zu machen. Jenny hatte einen Mann wie Mike nie verstehen können, und in Wahrheit haßte er auch ihn seit langem, weil Mike ein voller Mann war, und Jenny war das nicht.
Es gehörte zu Jennys Grundsätzen, erst den schwächer erscheinenden Gegner zu erledigen und sich erst dann an den stärkeren zu wagen. Er hielt Mike trotz seiner neunzig Kilo und seiner Boxerfaust für ungefährlicher als Joe, der sicher sein auch unter Gangstern gefürchtetes Stilett bei sich hatte, während die Maschinenpistolen des Alten vorläufig nicht ohne Zeitverlust schußfertig gemacht werden konnten.
Jenny führte den Stoß aus, auf den Mike von dieser Seite nicht gefaßt gewesen war. Schwer in die Nieren getroffen, brach der Hüne zusammen.
Stonehorn mußte rascher sein, als Mike es gewesen war. Er nutzte den Augenblick sofort. Als der massige Körper des ehemaligen Boxers auf den Boden schlug und die Bank umfiel und als sich die Lippen des Siegers Jenny, der von der Kraft seines eigenen Stoßes fast vornüber geworfen wurde, schon zum Pfiff spitzten, sprang Joe über den Tisch mitten zwischen zwei der Banditen, die nicht rasch genug begreifen konnten, wer nun eigentlich gegen wen zu stehen habe. Er packte eine Flasche und schleuderte sie Jenny an den Kopf, so daß dieser, von Brandy triefend, halb betäubt wankte.
Da die Bandenmitglieder gewohnt gewesen waren, Mike als ihren Boss zu betrachten und Joe nun den Angriff gegen den Mörder Jenny wagte, wandten sie sich, wenn auch mit dem Vorbehalt eines letzten Zögerns, auf Joes Seite.
Jenny aber, der sich wieder gefaßt hatte, kehrte den fremden jungen Mann von der Kiste. Queenie sprang ihm noch rechtzeitig aus dem Griff und flüchtete durch den Notausgang. Der Blondlockige gelangte hinter die Kiste, die er auf die Seite geworfen hatte, und nahm Deckung, zusammen mit einem zweiten der gewandtesten Banditen. Beide schossen, zunächst nur mit ihren Revolvern. Joe hatte sich hinter dem Tisch geduckt, und die Schüsse pfiffen an ihm vorbei. – Jenny wäre längst tot gewesen, wenn Joe Schußwaffen hätte gebrauchen wollen. Aber er versuchte, solange noch eine Möglichkeit blieb, nichts zu tun, was ihn auf den elektrischen Stuhl bringen konnte oder als lastendes Verbrechen den Gangstern wieder ausliefern mußte.
Im Saal, in dem jetzt das Tränengas seine volle Wirkung tat, herrschten nur noch Lärm und Verwirrung. Die Polizei und die noch aktionsfähigen Mitglieder des Saalschutzes fingen an zu räumen. Wenn sie damit fertig waren, wollten die Gangster mit ihren Prozeduren ebenfalls fertig sein; nur dann konnten sie entkommen und straflos ausgehen. Auch einigen von ihnen liefen schon die Tränen herunter. Das Gas wirkte allenthalben. Jenny piff den Boss-Pfiff hinter seiner Kiste und feuerte wieder. Die Gangster erkannten in dem Blondgelockten ihren wahren Herrn und suchten sich Joes zu bemächtigen. Sie wollte den Abtrünnigen lebendig haben, dem ursprünglichen Beschluß entsprechend. Joe wehrte sich, noch immer allein. Er warf den Nächststehenden mit einem kräftigen Fußtritt zu Boden, schlug dem zweiten die Faust unter das Kinn und
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