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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ihn von der Kiste wegbringen. Mit sarkastischer Miene nahm Joe an. Auf seinen Wink hin setzte sich Queenie auf die Kiste.
    James und Mike forderten sie zum Tanz auf.
    Aber sie lehnte ab. »Damenwahl, ihr Leute!«
    Sie sagte es ganz ruhig, obgleich ihr die Angst durch die Nerven zuckte.
    Niemand hatte recht beobachtet, wo der junge Mensch hergekommen war, der jetzt auf einmal neben Queenie saß, mit freundlichen Mienen und einer unmißverständlichen Geste: die Hand am Griff des Revolvers.
    Mike wechselte von einem Rest gutmütiger Stimmung zur Wut über.
    »Entschieden«, sagte er.
    Jenny und Stonehorn gingen zu ihrem Tanz.
    Queenie konnte die beiden sehen, denn es blieb ein leerer Raum um dieses Paar. Mike und seine Freunde am Banditentisch blinzelten sich bei ein paar schmutzigen Bemerkungen zu und beobachteten. Joe trug weder Hut noch Jacke, noch Halstuch und hatte das dunkle Cowboyhemd aufgeknöpft. Das waren Zeichen, daß er einen Kampf erwartete; alle, die ihn kannten, wußten es.
    Der Tanz erforderte nicht viel mehr als die schnelle rhythmische Bewegung der Füße, darin war Joe Meister. Die Augen hielt er gesenkt. Hin und wieder machte er eine leichte Bewegung mit der Hand, und Jenny zuckte jedesmal, als fürchte er eine Waffe und wolle die seine ziehen. Aber es geschah weiter nichts. Jenny beschleunigte seine Bewegung, sie wurde unrhythmisch. Er war nervös; Joe lächelte, obgleich auch er nicht ruhig war. Als der Tanz endete, wurde um Fortsetzung geklatscht und gepfiffen, und Joe stimmte mit einem schrillen Pfiff ein. Jenny mußte weitertanzen. Joe hielt die Arme locker und hatte Jenny fest im Auge, denn es war nie sicher, auf was für Einfälle sein Feind kommen konnte.
    Jennys Locken waren naß von Schweiß.
    »Verfluchte Rothaut!«
    Beim letzten Takt gaben die beiden ihre Mienen frei und gestanden den Haß.
    Jenny führte Joe zum Tisch zurück.
    Stonehorn wechselte mit Tashina einen Blick. Es lag ein Abschied, aber kein Bedauern darin.
    Danach spitzte sich die Situation im Saal zu.
    Das unaufhörliche Hämmern des Schlagzeugs, die aufpeitschenden Gitarren, der Anblick des Ungeheuers und seiner langbehaarten vier Männer weckten die Leidenschaften und brachten die Nerven der jungen Menschen in ein Gewoge, gegen das sie keinen Widerstand mehr zu leisten vermochten, daher auch keinen Widerstand mehr leisten wollten. Die Fans schrien und pfiffen wie ein Chor Verrückter, und sie vermochten sich mit ihrem konzentrierten Geheul und ihrem Pfeifen noch immer durch den allgemeinen Lärm im Saal durchzusetzen. Die Leibgarde wußte, daß ihr jetzt bald der entscheidende Kampf bevorstand. Wenn die Fans das Podium stürmen und ihren Lieblingen die Kleider vom Leibe reißen wollten, um ein Souvenir zu besitzen, so gab es keine Rücksicht mehr. Das Etablissement wollte den Gewinn dieses Abends nicht opfern, um eine zerstörte Stätte neu aufbauen zu müssen. Aus dem Freigelände drängten mehr und mehr Tänzer wieder in den Saal herein. Die Türen wurden mit Mühe geschlossen und von Polizei besetzt. Während im Saale selbst das ›grüne, grüne Tennessee‹ noch einmal Ruhe vor dem Sturm zauberte, wallte das Wutgeschrei der Ausgeschlossenen immer bedrohlicher um die Bretterwände. Auf der Hauptstraße heulten die Sirenen der Feuerwehr und der nachrückenden Polizeikommandos mit ohrenbetäubender Stärke. Über dem Gelände surrte ein Hubschrauber. Man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen.
    Haverman sah sich scheu um, besonders in Richtung der Bretterwand hinter dem langen Tisch, an dem er saß und an dem jetzt anstelle des Saalschutzes ganz andere Leute erschienen. Die Bretterwand hielt er nicht für sehr stabil, gemessen an den Kräften, die an ihrer Außenseite tobten, und die Männer, die sich in ihrer Cowboykleidung bei dem Tisch einfanden, musterten den Tisch, auch die Bänke, wohl weniger als geeignete Sitze und Speiseträger denn als Holzmaterial, aus dem man außerordentlich schnell die Waffe des Urmenschen, den Knüppel, herstellen konnte.
    »Wir hätten längst verschwinden sollen«, sagte Haverman zu Kate Carson, »jetzt ist es offenbar zu spät.«
    Sie verstand seine Worte nicht, erriet aber natürlich den Sinn der Lippenbewegung und fühlte sich verpflichtet, ruhiger zu erscheinen, als sie war.
    Die Tür an der hinteren Schmalseite der Vergnügungsbaracke brach krachend ein, und mit mächtigem Siegesgeschrei drang der Sturmkeil der Ausgeschlossenen in den Saal.
    Jetzt konnte selbst das Ungeheuer

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