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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Schwesternzimmer durch und fragte nach Margot Crazy Eagle. Es dauerte eine halbe Stunde, bis Margot mitten in ihrem Dienst auf der Säuglingsstation Zeit für die Besucherin fand.
    »Was ist?«
    »Kann ich heute abend zu euch kommen?«
    »Ja.«
    »Ich muß jetzt Doc Eivie sprechen!«
    Margot fragte nicht nach dem Grund. »Ich versuche es, ihn zu holen.« Sie lief hinaus.
    Queenie saß auf einem der weißgestrichenen Stühle. Es roch kaum nach Desinfektion. Die Fenster spiegelten blank. Die Temperatur war reguliert.
    Eivie kam, machte die Tür hinter sich zu und packte Queenie, die nicht aufgestanden war, an beiden Schultern. »Kopf hoch, den Nacken steif! Sie werden jetzt nicht schlappmachen! Ihr Mann ist ein verdammter Dickkopf – ein verdammter! Deshalb lieben Sie ihn. Mir ist er auch nicht gleichgültig.«
    »Was wissen Sie, Doc?«
    »Ein bißchen mehr, als Hawley glaubt. Ich habe sofort einen Freund von mir auf die Spur gesetzt; er hat nach Washington telefoniert. Zum Ferienende spätestens haben Sie Ihren Mann wieder. Er ist Reservationsindianer; jede Stelle, die mit ihm zu tun hat, ist uns verantwortlich. Womit kann ich Ihnen vorläufig helfen?«
    »Ich möchte ein Bild verkaufen.«
    »Zeigen Sie her!«
    Queenie zog das Aquarell aus der Mappe.
    Eivie betrachtete es. »Auf Abzahlung?«
    »Ja. Ich muß die Raten für den Schecken aufbringen. Mit dem nächsten großen Rodeo…«
    »… wird es jetzt nichts. Kommendes Jahr! Also – gut, ich nehme den schwarzen Stier, und wenn mein Portemonnaie nicht reicht, verschaffe ich mir ein Team, das mitmacht… Hundert Dollar fürs erste?«
    Queenie nickte. Das Blut stieg ihr in die Wangen.
    »Heute abend wollen Sie zu Crazy Eagle gehen?«
    »Ja.«
    »Da machen Sie sich auf einiges gefaßt. Er ist im Augenblick nicht gut auf Ihren Mann zu sprechen.«
    Queenie erschrak. »Warum nicht?«
    »Ja, wie soll ich Ihnen das erklären?«
    »Bitte, erklären Sie es mir!«
    Eivie schien durch die Bitte in Verlegenheit zu geraten, aber als er in Queenies verstörtes Gesicht schaute, riß er seinen zivilen Mut zusammen. »Ich will es versuchen. Es wird eine etwas umständliche Antwort und – und Sie schweigen darüber?«
    »Ja.«
    »Sehen Sie, Crazy Eagle ist Stammesrichter und hat mit dem Staat der weißen Männer und unserer Polizei seinen Frieden gemacht. Sie müssen sich einmal Eds Lebensgeschichte erzählen lassen, um das ganz zu verstehen. Aber für Joe King ist nach Erziehung und bitteren Erfahrungen die Polizei der weißen Männer eine Art Gang, und nachdem er sich von den Gangstern unserer Unterwelt losgesagt hat, will er sich mit denen unserer Oberwelt nicht einlassen. Das scheint mir, ungeschminkt ausgedrückt, seine Haltung zu sein, und es ist – unter uns gesagt – wohl auch das beste für ihn, wenn er dabei bleibt. Denn ein Mann seiner Herkunft und Vergangenheit würde auf Grund irgendwelcher bußfertiger Geständnisse und reumütiger Eröffnungen über die Gangsterwelt von unserer Polizei nur zu Spitzeldiensten gezwungen werden. Dabei ginge er moralisch und physisch erst recht zugrunde und wäre Ihnen für immer verloren. Ich glaube, daß er selbst sich darüber keinerlei Illusionen macht. Aber Ed macht sich Illusionen, weil er diese Verhältnisse nicht kennt und bei aller Vertrautheit mit menschlichem Versagen doch seinen Kinderglauben bewahrt hat.«
    »Was kann ich noch tun, Doc?«
    »Haben Sie sich an den Stammesrat und an den Chief gewandt?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Was können die mir dem helfen?«
    »Das ist allerdings die Frage. Aber wenn ihr Indianer nicht an euch selbst glaubt, wer soll denn an euch glauben!«
    Der Arzt wurde zu einem Patienten gerufen.
    Queenie wollte das Hospital verlassen, Margot fing sie an der Tür ab.
    »Geh schon hinüber zu uns! Mein Vater ist daheim und macht mit unserem Buben Leseübungen.«
    Queenie erhielt vom Verwalter noch die Erlaubnis, ihr Pferd bei der Hospitalsiedlung weiden zu lassen. Das Tier freute sich an dem grünen Gras, das besser schmeckte als verdorrte Prärie und Kakteen. Langsam ging sie den sanften Hang hinunter zu den Neubauten, schmucken Holzhäuschen, die von ausgewählten Indianerfamilien bewohnt wurden. Hier hatte auch Margot mit ihrem blinden Mann ein Heim gefunden.
    Queenie spielte mit David, dem Jungen. Es war ihr besser, wenn sie etwas tat. Im Hospital war alles so schnell gegangen, verwirrend schnell. Es würde Zeit kosten, jedes Wort noch einmal zu durchdenken.
    Nachmittags um fünf kamen Ed und

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