Nacht über der Prärie
malen… ein Gegenstück, auf dem dieser Stier vom Menschen bezwungen wird! Wenn es Ihnen möglich wäre…, die beiden Bilder zusammen… ich muß mit meinem Mann sprechen, aber wir würden dann diese Aquarelle ohne Zweifel nehmen.«
Queenie atmete unmerklich tiefer. »Das zweite, das Sie wünschen, kann ich nicht sogleich malen. Ich kann es nicht. Vielleicht werde ich es überhaupt nie können. Dieser schwarze Stier hier siegt über den Menschen.«
»Niemand drängt Sie, liebes Kind. Lassen Sie Ihre Phantasie spielen. Eines Tages gelingt es.«
Queenie sagte nichts weiter; sie schob das erschreckende Bild wieder in die Mappe.
Die Zeit verging. Das Telefon rief. Die Sitzung war beendet. Queenie verabschiedete sich und bedankte sich wohlerzogen, ganz in den Formen einer Weißen, wie sie es auf der Internatsschule gelernt hatte. Mrs. Hawley lächelte, eingenommen von der bescheiden wirkenden jungen Künstlerin, der sie eher ein Stilleben als jene Vision zugetraut hätte. Den fremdartigen Glanz hatten die schwarzen Augen wieder in sich hineingenommen; nichts davon drang mehr an die Oberfläche.
Als Queenie den Weg zum Büro zurück gemacht, als die Polstertür sich für sie geöffnet und sich hinter ihr wieder geschlossen hatte und sie vor dem Superintendent stand, erschien Queenie auch diesem nichts weiter zu sein als eine begabte und gebildete, noch sehr junge Frau, mit der in Ruhe und Vernunft zu reden sich immer lohnen konnte.
Sie nahm Platz, wie Sir Hawley sie gebeten hatte.
»Ich möchte Ihnen persönlich mitteilen, Missis King, daß Sie sich um Ihren Mann nicht die geringsten Sorgen zu machen brauchen…«
Das war eine glatte Einleitung; Peter Hawley machte eine Kunstpause, um die amtliche Rhetorik zu steigern, aber Queenie nutzte die Pause für einen unerwarteten Einwurf: »Sorgen machen? Warum sollte ich denn?«
Hawley fühlte sich gestört, fuhr aber mitten im Satze fort, als ob er Queenies Worte nicht gehört habe; »… nicht die geringsten Sorgen, auch wenn Sie nun einige Wochen nichts von ihm hören werden.« Jetzt gab Sir Hawley absichtlich Gelegenheit für eine weitere Zwischenäußerung, aber nun schwieg Queenie.
»Die Angelegenheit ist diskret zu behandeln. Ich vertraue Ihnen.« Der Superintendent kam mit seinen Ausführungen in Gang. Er war gewohnt, zu sprechen und nicht unterbrochen zu werden. »Sie selbst haben die Nacht miterlebt, Missis King, die mir nur vom Hörensagen bekannt geworden ist. Der plötzliche Ausbruch des Massenmordwahns bei diesem Jenny ist nahezu unvorstellbar – es hat vierzehn Tote gegeben. Die Polizei macht alle Anstrengungen, um die Gangs, dieses Übel, das sich unverständlicherweise an so vielen Stellen in vielen Städten unseres Landes festgefressen hat, mit der Wurzel auszurotten und hier gar nicht erst aufkommen zu lassen.«
Der Superintendent pausierte nun doch wieder und wartete. Queenie schwieg.
»Ihr Mann« – Sir Hawley fuhr fort und hob die Stimme etwas –, »Ihr Mann, Missis King, wird, so hoffen wir, die Polizei unterstützen. Er kann, da er einer Gang angehört hatte, einiges Material, das gefunden worden ist, sachverständig beurteilen und der Polizei durch seine Hinweise weiterhelfen. Er wird sich dadurch um die Ordnung in unserem Lande verdient machen.«
Queenie schwieg.
Der Superintendent verlor etwas von seiner Sicherheit, ohne sich dies eingestehen zu wollen.
»Bedauerlicherweise sind wir noch nicht ganz aus jener nebligen Atmosphäre heraus, in der es Gangstern möglich wird, unbequeme Zeugen zu beseitigen. Daher ist die größte Vorsicht am Platz, und Sie können gewiß sein, daß die Polizei alles tut, um Ihren Mann zu schützen. Es trifft ihn nicht der Schatten eines Verdachtes; es ist bekannt, daß Jenny auch ihn und Sie abschießen wollte. Aber um andererseits jeglichen Verdacht, den die Gangster gegen ihn als Zeugen fassen könnten, abzulenken, ist pro forma ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr. Die Gangster müssen Ihren Mann, der Zeuge ist, nun für einen Angeklagten halten. Den Sinn der Maßnahme verstehen Sie?«
Queenie schwieg.
Der Superintendent ordnete Aktenstücke um und sammelte dann einige Gedanken für weitere Ausführungen, während er nach seiner Gewohnheit das Bild an der seinem Schreibtisch gegenüberliegenden Wand ins Auge faßte. Es stammte von einem berühmt gewordenen indianischen Maler, der die Reservation vor zehn Jahren verlassen hatte und im Osten lebte. Mit
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