Nacht über der Prärie
verließe.
Aber des Morgens war sie mit den anderen wach und erschien frisch. Ihre Art und Weise, sich zu geben, erlaubte kein Wort des Mitleids oder des Tadels oder der Frage mehr. Als sie befürchtete, daß Ed beim Abschied doch noch einen Versuch machen könne, in sie zu dringen, kam sie ihm zuvor und sagte: »Ein Indianer kämpft. Er schwatzt nicht.«
Sie ging zu ihrem Pferd und begann den stundenlangen Heimritt. Niemand wußte, was sie geträumt hatte.
Als sie in das Prärietal kam, in dem die Blockhütte der Kings am Hang stand, ritt sie den Weg mit den hart getrockneten Furchen zum Haus hinauf, versorgte das Pferd und ging hinüber zu dem kleinen verwehten Friedhof. Sie grüßte den alten King, Joes Vater, den der Brandy der weißen Männer zuschanden gemacht hatte, und sie grüßte die Mutter des großen Häuptlings, der in den weißen Bergen auf der gegenüberliegenden Talseite im unbekannten Grab ruhte.
Die folgenden Tage verrannen mit Arbeit. Die Nächte waren schwer. Das einzig Besondere, was Queenie beobachten konnte, war eine amtliche Briefzustellung an die Nachbarranch auf der anderen Talseite – ein ganz und gar ungewöhnlicher Vorgang – und eine Reise des Sohnes der Nachbarranch, Harold Booth, die er am folgenden Tage mit seinem Volkswagen antrat. Er hatte ein Köfferchen mitgenommen und blieb sechs Tage weg. Am siebenten war er wieder da. Queenie, durch die Sorge um Joe empfindlich wie verbrannte Haut, war durch den Vorgang, den sie beobachtet hatte, aufgestört. Harold Booth war für sie in diesem Moment keine unwichtige oder gleichgültige Person. Der große, breitschultrige Fünfundzwanzigjährige, jüngster und von seiner Mutter verwöhnter Sohn, war einst ein Bestschüler der Reservationsschule gewesen, die auch Queenie als Kind besucht hatte. Er hatte das Mädchen, das schon früh auf alle Burschen anziehend wirkte, auf seine Weise geliebt und war Joes Rivale, dann sein Feind geworden. Queenie mußte sich eingestehen, daß sie eine kindliche, aber auch schon nicht mehr ganz kindliche Freude daran empfunden hatte, sowohl Joes als auch Harolds Gefühle zu wecken, bis ihre Entscheidung für Joe, die sie im Verborgenen schon lange gefällt hatte, für alle offenbar wurde. Aber sie wußte, daß Harold sich mit seiner Niederlage noch immer nicht abgefunden hatte. Sein Versuch, als Ersatz eine vermögende Weiße für sich zu gewinnen, Tochter des Besitzers eines großen Friseurladens, hatte kläglich geendet. Er war für sie nur ein Abenteuer gewesen, und die einsame Prärie behagte ihr nicht. Der Fehlschlag verstärkte seinen verbissenen Ärger darüber, daß Queenie, das reizvolle Mädchen, die talentierte Malerin, die tüchtige Rancherstochter, ihm entgangen war; Queenie hatte das bei der Sonntagsparty nach dem schon legendär werdenden Rodeo-Tag wohl gespürt und damals ihre Hände vor seinen Augen sanft spielen lassen. Sie bereute es zu spät. Mit wachem Instinkt spann sie jetzt Fäden zwischen Harolds Reise und Joes schwieriger Lage.
Um selbst etwas für Joe zu unternehmen, und sei es auch das Ungewisseste und scheinbar Aussichtsloseste, setzte sie sich an den Tisch in der Blockhütte und schrieb einen Brief. Sie schrieb ihn viermal. Sie kannte den Mann nicht, an den er gerichtet war, und sie wußte nicht, ob er noch lebte. Als ihr der Brief endlich gut und richtig erschien, adressierte sie: Inya-he-yukan, Wood-Hill, Canada.
Sie schrieb als Absender ihren Namen und ihre Adresse auf den Umschlag. Die Großmutter sollte am nächsten Tag zum Postamt reiten und diesen Brief aufgeben. Nachdem Queenie, mit ihrem indianischen Namen Tashina genannt, sich entschlossen hatte, zu schreiben, erschien ihr der Brief nach langen Jahren des Schweigens zwischen den Verwandten diesseits und jenseits der Grenze als das Eiligste der Welt. Sie hatte von Stonehorn und von seinem indianischen Namen Inya-he-yukan geträumt. Die Großmutter sah Tashina aufmerksam an, als sie von dem Vorhaben erfuhr, und machte sich am nächsten Morgen sogleich zu Pferd auf den Weg, obgleich sie in ihrem Leben noch nie ein Postamt von innen gesehen hatte.
Da die alte Frau einen Tag lang unterwegs war, kam es dazu, daß Queenie sich nicht verstecken konnte, als der Wagen der Nachbarfamilie Booth sich den furchenreichen Weg heraufschlich. Sie beschloß, wie sie sich verhalten wollte, und wartete an der Tür. Der Wagen hielt am Ende des Fahrwegs beim Haus, und es kam alles heraus, was darin steckte: Isaac Booth, seine Frau, von
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