Nacht über der Prärie
Hawley wird Missis Hawley anrufen; Sie können im Hause des Superintendent warten und dort das Lunch einnehmen.«
Queenie sagte zu. Sie tat es, ohne Miss Thomson dabei anzusehen. Der Superintendent war in der Nacht zurückgefahren, hatte gebadet und gefrühstückt und war dann nicht nur in den Dienst geeilt, sondern hatte auch sogleich seine Mitarbeiter zusammengerufen. Es mußte einen besonderen Anlaß für die lange Sitzung geben.
Die Sekretärin schaute wieder auf. »Bitte, Missis King, gehen Sie nur hinüber, Missis Hawley ist schon zurück und erwartet Sie.«
Queenie machte sich auf den Weg und ging in gleichmäßigem Schritt zu dem Privathaus des Superintendent. Bis dahin hatte sie es noch nie betreten. Sie kam in Berührung mit einer Welt, die sie seit ihrer Kindheit neben sich und über sich wußte, die sie aber nicht von innen her kennengelernt hatte. Nie war sie früher in einem der schönen Häuser eingeladen gewesen, und nie war eine Lehrerin oder eine Angestellte der Agentur in das Haus der Halketts gekommen. Was man in den abgelegenen Häusern der Indianer kannte, das war vielleicht die Krankenschwester, vielleicht die Polizei, vielleicht eine Beauftragte des Museums, die kunstgewerbliche Arbeiten abholte. Aber nun wurde Queenie in das Haus des Superintendent zum Lunch eingeladen. Das war unnatürlich. Eivie galt als Sonderling, und wenn die Kings bei ihm an einer privaten Party hatten teilnehmen können, so stand das auf einem anderen Blatt. Der Superintendent war der oberste Beamte dieses Reviers. Himmel und Erde schienen sich zu drehen.
Als Queenie in dem Wohnzimmer saß, atmete sie mildwarme Luft und genoß die Wirkung des Schattens, den die Bäume im Garten spendeten. Der Boden war mit echten Teppichen belegt, die Polstersessel waren in abgestimmten Farben überzogen. An den Wänden hingen Holzschnitte und Aquarelle, sehr genau placiert, um die Wirkung zu erhöhen. Die Gastgeberin war aschblond, zartgliedrig, ihre Kleidung einfarbig und schlicht. Sie hatte eine schwache, leise Stimme. Doch machte es Queenie keine Mühe, sie zu verstehen.
Die Hausfrau bereitete das Lunch am kleinen Tisch selbst aus dem bereitstehenden Zubehör. Queenie aß gern Schinken, aber sie nahm wenig. Niemand sollte später sagen, Indianer essen oder fressen wie hungrige Tiere.
»Danke, Missis Hawley.«
»Ist Ihnen nicht gut? Kommen Sie, wir setzen uns bequemer. Ich habe ein paar Bücher, die Sie vielleicht interessieren!« Auf einem fahrbaren Tischchen lagen kostbare Werke mit Reproduktionen alter Buntdrucke, alter Gemälde, alter Stiche, mit Motiven aus der Geschichte der Indianer. Queenie vertiefte sich in die Bilder. Sie sah indianische Frauen in reichgestickten Gewändern, die Kinder auf dem Rücken tragend, Maisbauern, Maskentänzer, Büffeljäger, Häuptlinge im Schmuck der Adlerfedern. Sie sah spanische Mönche, die gefangenen Indianern, die sich nicht bekehren wollten, die Hände abhacken ließen, und sie sah Montezuma, dessen Füße im Feuer gebrannt wurden und der seine Peiniger fragte: Was sucht ihr nach Gold, da so viele schöne Blumen in meinem Lande blühen?
Die Träume wollten Queenie überwältigen, und in ihre Augen kam etwas von dem gleichen merkwürdigen Glanz, der die Menschen zugleich erschreckte und anzog, wenn sie dem Blick ihres Mannes Joe King, genannt Stonehorn, begegneten.
Mrs. Hawley wurde unruhig und begann wieder zu sprechen. »Ich habe gehört, Missis King, daß Sie eine der großen Hoffnungen der neuen indianischen Malerei sind. Arbeiten Sie auch jetzt, oder gehören Sie ganz Ihrer Familie?«
Queenie hob den Kopf, als ob sie jemand geweckt habe. Sie schaute zögernd auf ihre Mappe. Vielleicht kaufte diese Frau das Bild des schwarzen Stiers. Es war aus dem Erlebnis jenes Augenblicks heraus entworfen, in dem ihr Mann beim ›Stierringen‹ in Gefahr gewesen war, von dem schwarzen langhörnigen Stier geschleift und angegriffen zu werden.
»Ich habe ein Aquarell… einen Versuch… es ist für mich so fremd. – Ich habe bisher in Öl und ganz andere Motive gemalt.«
»Oh, Sie haben etwas dabei? Darf ich es sehen?«
Queenie öffnete die Mappe, zog das Blatt heraus, erschrak selbst davor und reichte es dann der Hausfrau.
»Aber das ist…« Mrs. Hawley stellte das Aquarell auf und ging in den gehörigen Abstand. »Das ist… enorm. Männlich! Das ist… gekonnt… das ist – gräßlich…! Ich würde es Tag für Tag nur sehen können, wenn Sie imstande wären, ein Pendant dazu zu
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