Nacht über Eden
Tony…«
Bereits bei der Tür angelangt, drehte er sich noch einmal um.
»Wohnt hier noch jemand? Eine Frau?«
»Eine Frau? Du meinst, außer Mrs. Broadfield?« Seine blauen Augen wurden schmal.
»Ja. Ich bin vorhin auf eigene Faust mit meinem Rollstuhl herumgefahren und dabei auf ein Zimmer gestoßen, das aussah wie dieses hier, und – «
»Oh.« Er trat wieder ein paar Schritte auf mich zu. »Du meinst, du warst in Jillians Räumen?«
»In Jillians Räumen?« Aber Jillian ist doch schon so lange tot, dachte ich. Es hatte ausgesehen, als wären die Zimmer noch an diesem Morgen benutzt worden.
»Ja. Ich muß die Tür offengelassen haben. Normalerweise ist es mir nicht recht, wenn jemand hineingeht«, sagte er in einem so schroffen und unfreundlichen Ton, wie ich ihn noch nie bei ihm gehört hatte.
»Es tut mir leid, ich – «
»Ist schon gut«, sagte er hastig. »Nichts passiert. Ich habe diese Zimmer so gelassen, wie sie am Tag ihres Todes aussahen.«
»Warum sind die Spiegel alle entfernt worden?«
»Das war ein Teil des Wahnsinns, der sie befallen hatte, bevor sie starb. Wie auch immer, jedenfalls lebt hier sonst niemand«, antwortete er rasch. Dann lachte er gezwungen.
»Erzähl mir du nicht auch noch, daß du wie Rye Geister siehst.« Er schüttelte den Kopf und ging.
Ich fröstelte, und wieder fragte ich mich, ob ich nicht besser nach Winnerrow zurückkehren sollte.
Kurz darauf kam Mrs. Broadfield mit meinem Essen. Dieses Mal hatte sie mir ein Stück von Ryes berühmten Brathühnchen, seinen hausgemachten Kartoffelbrei und gegartes Gemüse gebracht. Es roch frisch und appetitlich. Ich war so hungrig, daß ich das ganze Essen gierig hinunterschlang.
»Es war köstlich«, sagte ich.
»Soll ich Ihnen jetzt ins Bett zurückhelfen?«
Sie ergriff das Tablett und ging hinaus. Ich nahm die Fernbedienung und knipste den Fernseher an. Kurz darauf fand ich einen Spielfilm, den ich noch nicht kannte, und lehnte mich zurück. Doch schon nach wenigen Minuten fuhr mir ein stechender Schmerz durch den Leib. Ich stöhnte und preßte meine Hände gegen meinen Bauch. Der Schmerz hörte auf, und ich lehnte mich wieder zurück und atmete tief durch; doch dann kam er erneut, diesmal mit noch größerer Intensität. Er schien meinen Magen beinahe zu zerreißen, und breitete sich schließlich bis in meine Brust aus.
Ich hörte, wie es in meinem Magen blubberte. Jeden Moment konnte ein Malheur passieren.
»Mrs. Broadfield!« rief ich. »Mrs. Broadfield!« Doch sie antwortete nicht. Ich begann, meinen Rollstuhl zur Tür hin zu bewegen. »Mrs. Broadfield!«
Es passierte. Mein Körper rebellierte.
»O nein! Mrs. Broadfield!«
Als sie kam, war ich im Rollstuhl zusammengebrochen und sah jämmerlich aus.
Sie stand in der Tür, die Hände in die Hüften gestemmt, ein kaltes, triumphierendes Lächeln auf ihrem versteinerten Gesicht.
»Behaupten Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt«, meinte sie und schüttelte den Kopf.
Ich saß zusammengekrümmt in meinem Stuhl und konnte sie nur noch stöhnend anflehen, mir zu helfen.
17. KAPITEL
MRS. BROADFIELDS RACHE
Mrs. Broadfield schob mich rasch ins Badezimmer. Sie öffnete den Hahn über der Wanne und schälte mich dann aus meiner Kleidung, indem sie mir ein Kleidungsstück nach dem anderen grob vom Leibe riß. Ich fühlte mich wie eine Banane in der Hand eines Affen, der kurz vor dem Hungertod stand. Wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, mir auch die Haut abzuziehen, ich glaube, sie hätte es getan. Obwohl die ganze Zeit über kein Wort über ihre Lippen kam, konnte ich das wiederholte »Ich hab’s Ihnen ja gesagt« in ihren wutentbrannten Augen lesen. Ich stöhnte und preßte die Hände an meinen Leib.
»Es ist ein Gefühl, als hätte ich glühende Streichhölzer in mir«, weinte ich, aber mein Klagen stieß auf taube Ohren. Sie wischte mich mit ein paar Handtüchern ab, zerrte mich dann aus dem Rollstuhl und warf mich buchstäblich in das heiße Wasser. Sie war sehr kräftig für eine Frau ihrer Statur.
Sobald ich drinnen saß, drehte sie den Hahn zu, und ich ließ mich tiefer und tiefer ins Wasser gleiten. Obwohl es so heiß war wie immer, brachte es mir ein wenig Erleichterung. Ich schloß die Augen und lehnte mich zurück, während ich noch immer leise vor mich hin wimmerte.
Ich öffnete sie allerdings sofort wieder, als ich Tony hörte. Er hatte die Aufregung mitbekommen und kam angelaufen, um mir zu helfen.
»Was ist los?« rief er vom Wohnzimmer
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