Nacht über Eden
ein sorgenvoller Ausdruck in seinen Augen. Er legte die Stirn in Falten und biß sich auf die Lippen, als müßte er sich angestrengt auf etwas konzentrieren. »Es ist… sehr gut, aber ich hatte gehofft, ich könnte dir zusehen, wie du die Gärten und Hecken, die kleinen Gehwege und die hübschen Springbrunnen malst.«
»Aber, Tony. Die Brunnen sind doch gar nicht angestellt und völlig verstopft von dem buntgefärbten Herbstlaub. Und die Gärten brauchen dringend Pflege. Alle Pflanzen sind völlig von Unkraut überwuchert. Einige der Hecken sind zwar zugeschnitten, aber auch sie brauchen noch viel mehr Pflege!«
Er starrte hinaus in die pechschwarze Nacht, ohne auch nur einmal zu zwinkern. Offensichtlich hatte er kein einziges Wort von dem gehört, was ich gesagt hatte.
»Wenn die Sonne herauskommt, dann glitzert und funkelt der Park in ihrem Licht.« Er lächelte wie entrückt. »Jillian sagt, es sei, als stünde ein Riese auf dem Dach und würfe Juwelen auf den Rasen hinab. Ja, sie ist eine wirkliche Künstlerin, und sie hat den Blick und die Phantasie einer Künstlerin. Sie malt nur schöne, angenehme Dinge, Dinge, die ihr das Gefühl geben, jung und lebendig zu sein. Deshalb hat sie auch angefangen, Kinderbücher zu illustrieren.«
»Jillian…? Du meinst, meine Urgroßmutter Jillian? Aber sie ist tot, Tony!«
Er schwieg und starrte mich mit jenem seltsam entrückten Blick an. Plötzlich fühlte ich, wie ich erschauderte. »Tony!«
»Was? Oh, ich meine, Jillian hat das immer gesagt.« Er stieß ein kurzes, trockenes Lachen hervor und blickte erneut auf meine Staffelei. »Es ist nur so: Immer wenn ich Gemälde sehe oder nur eine Staffelei und einen Pinsel, dann denke ich an sie, und die Vergangenheit wird wieder lebendig… Aber wie auch immer – wenn es dir noch ein wenig besser geht, dann kannst du dich hinunter in den Garten setzen und malen, was immer dein Herz erfreut. Glaube mir, es überrascht mich nicht, daß du auf eine so traurige Szene verfällst, wenn du eingesperrt in diesem Zimmer sitzt. Ein Maler braucht Platz, um seine Blicke schweifen zu lassen, um zu atmen. Troy war der einzige, der sich einschließen und einen schönen Gegenstand nach dem anderen schaffen konnte. Das Leben, aus dem er seine Ideen schöpfte, spielte sich in seinem Kopf ab, denke ich.«
»Ich würde gerne einige von Troys Arbeiten sehen.«
»Oh, das wirst Du. Sobald du hinunterkommen kannst, gehen wir in mein Büro und sehen uns all die kleinen Kunstwerke auf den Regalen an. Er hat alles selbst gemacht, selbst die kleinsten Kleinigkeiten!«
»Vielleicht komme ich morgen hinunter«, sagte ich hoffnungsvoll.
»Ja. Wir werden deinen ersten Ausflug arrangieren. Ist das nicht wundervoll? Du wirst wieder durch die Korridore von Farthinggale Manor streifen!«
»Wieder?«
Er klatschte in die Hände. Alles, was er sagte, schien mir so verworren, aber vielleicht war es ja nur die Aufregung angesichts meiner bevorstehenden Genesung. Ich durfte nicht vergessen, daß Tony nicht mehr der Jüngste war. Wenn man so viele Jahre in der Einsamkeit lebte, war es kein Wunder, wenn der Verstand sich ein wenig verwirrte…
»So, ich werde dich jetzt verlassen. Du wirst sicher müde sein.«
»Ich bin zu aufgeregt, um zu schlafen.« In diesem Augenblick erinnerte ich mich an die Sache mit meinem Nachthemd. »Übrigens, Tony, warum habe ich ein anderes Nachthemd an?«
»Ein anderes Nachthemd?« Er blickte mich mit einem verwirrten Lächeln an. »Ich verstehe nicht.«
»Ich hatte dieses hier vorher nicht an. Du hast es mir angezogen, als ich ohnmächtig war, nicht wahr?«
Er schüttelte den Kopf.
»Du bist wahrscheinlich nur durcheinander. Du hast dieses Nachthemd die ganze Zeit angehabt. Es ist dein Lieblingsnachthemd, das hast du mir oft gesagt.«
»Ich… habe das gesagt?« Er hatte mich dazu gebracht, daß ich mich nun über mich selbst wunderte. Schließlich schüttelte ich den Kopf. So wichtig war es nun auch wieder nicht.
»Vielleicht sollte ich dir etwas geben, was dir hilft, einzuschlafen. Der Arzt hat angeordnet, daß du deine Beruhigungsmittel weiterhin nehmen sollst.«
»Ich hasse Schlaftabletten. Ich bekomme Alpträume davon«, rief ich.
»Aber Annie, meinst du nicht, du solltest jetzt weitermachen mit den Dingen, die dir bisher so gut geholfen haben?« fragte er mit sanfter Stimme. »Sieh mal, der Arzt ist der Ansicht, du solltest sie nehmen. Ich bin gleich wieder da.«
Kurz darauf kam er mit einem Glas Wasser und
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