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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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besuche dich bald wieder. Versprochen. Adieu, Annie«, flüsterte er, während er sich über mich beugte, um mich auf die Wange zu küssen.
    »Mach dir keine Sorgen, ich bin immer in deiner Nähe.«
    »Danke, Drake.« Es beruhigte mich, ihn in meiner Nähe zu wissen. Aber ich konnte es nicht ändern, ich hätte auch Luke gerne bei ihr gehabt, wäre gerne mit ihm nach Farthy gegangen, damit er mir helfen konnte, wieder auf die Beine zu kommen. Ich malte mir aus, wie ich mit Luke in dem großen Pavillon in Farthy sitzen würde, wie er mich im Rollstuhl herumfahren oder an meinem Bett sitzen und mir vorlesen würde…
    Als Drake ging, kam Mrs. Broadfield an mein Bett und drückte den Knopf, so daß sich der Kopfteil meines Bettes hob und ich in eine sitzende Position kam.
    »Es ist Zeit, daß Sie etwas Nahrhaftes zu sich nehmen«, verkündete sie.
    Ich schloß die Augen, damit sich der Raum nicht mehr um mich herum drehte, doch diesmal erhob ich keine Einwände.
    Das wichtigste war jetzt für mich, gesund zu werden und aus diesem Krankenhaus herauszukommen, wo ich in jeder Hinsicht von anderen abhängig war. Und ich wollte vor allem so bald wie möglich das Grab meiner Eltern besuchen.
    Ich mußte Abschied von ihnen nehmen.
    7. KAPITEL

    DIE ZEIT DER DUNKELHEIT

    Tony hielt sein Versprechen. Jedesmal, wenn er mich besuchte, brachte er mir eine neue Überraschung mit. Er kam zweimal am Tag, einmal am späten Vormittag und einmal am frühen Abend. Zu Anfang brachten er mir Schachteln mit Konfekt oder Blumen. Später ließ er einfach jeden Tag einen Strauß frischer Rosen bringen. Als er mich das siebentemal besuchte, schenkte er mir eine Flasche Jasminparfum.
    »Ich hoffe, du magst es«, sagte er, »es war das Lieblingsparfüm deiner Urgroßmutter.«
    »Ich erinnere mich, daß meine Mutter diesen Duft manchmal benutzte. Ja, es gefällt mir sehr, danke, Tony.«
    Ich sprühte gleich ein wenig Parfüm auf meine Haut, und als Tony den Duft einsog, trat für einen Augenblick ein verklärter, abwesender Ausdruck in seine Augen. Ich beobachtete, wie er völlig in seiner Erinnerung versank und nur allmählich in die Realität zurückkehrte. Was für ein komplizierter Mensch er war, und wie sehr er meiner Mutter glich! Mit welcher Leichtigkeit er in verschiedene Rollen schlüpfte! Ein Wort, ein Duft oder eine Farbe reichten aus, und schon befand er sich in vergangenen Zeiten und wurde in einen Strudel von Erinnerungen hineingerissen. Doch einen Augenblick später tauchte er wieder daraus hervor und war wieder hellwach und ganz konzentriert.
    Vielleicht waren wir uns gar nicht so unähnlich. Wie oft hatten mich mein Vater oder meine Mutter in melancholischer Stimmung angetroffen. Manchmal machten mich die einfachsten Dinge traurig: ein einsamer Vogel, der Zweig einer Weide, die Hupe des Autobusses, die in der Ferne ertönte, oder sogar das fröhliche Lachen kleiner Kinder. Ganz plötzlich versank ich dann in meinen trübsinnigen Gedanken, doch ebenso rasch konnte ich mich auch wieder von den Schatten befreien und zurück ins Sonnenlicht treten, ohne auch nur zu wissen, warum ich eben noch so traurig gewesen war. Einmal hatte mich meine Mutter mit tränenüberströmtem Gesicht vorgefunden. Ich saß im Wohnzimmer und starrte nach draußen auf die Bäume und den blauen Himmel.
    »Warum weinst du, Annie?« hatte sie gefragt. Ich hatte sie zunächst nur verwirrt angesehen; dann waren meine Finger über meine Wangen geglitten und ich hatte die warmen Tropfen gespürt. Ich war mir gar nicht bewußt gewesen, daß ich weinte.
    Als Tony das nächstemal ins Krankenhaus kam, wurde er von seinem Chauffeur, einem Mann namens Miles, begleitet, der mit Paketen beladen war. Tony wies ihn an, sie auf dem Tisch neben meinem Bett abzustellen. Dann öffnete er eine Schachtel nach der anderen. Alle enthielten seidene Nachthemden. Aus der letzten zog er schließlich ein karminrotes Seidenkleid.
    »Diese Farbe stand deiner Mutter so gut«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Ich erinnere mich noch an das wunderbare karminrote Kleid mit der Jacke, das ich ihr gekauft habe, als sie in die Mädchenschule von Winterhaven eintrat.«
    »Meine Mutter war dort nicht sehr glücklich«, warf ich ein, um seine schwärmerischen Erinnerungen zu unterbrechen.
    »Sie hat mir erzählt, daß die reichen Mädchen dort nicht so herzlich und freundlich waren, wie sie es von den armen Leuten in den Willies gewohnt war.«
    »Ja, ja, sie mußte sich ihnen gegenüber behaupten,

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