Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
Vom Netzwerk:
in die Falle und löschte sie beinahe gänzlich aus. Sie ka- men wieder auf die Füße, indem sie sich selbst einredeten, daß sie Opfer falscher Propheten und Prophezeiungen geworden waren, die von Schurken verbreitet wurden, die noch listiger als sie selbst waren. Mit dieser Überzeugung konnten sie weiterleben und an weitere Unmög- lichkeiten glauben.
Komischerweise belogen sie sich mit der Wahrheit. Wahrscheinlich war ich der einzige Mensch außerhalb des inneren Kreises, der wußte, daß sie in die Fänge des Todes geführt worden waren. Der Feind, der sie verleitet hatte, war allerdings nicht die Lady, wie sie glaub- ten. Dieser Feind war ein noch größeres Übel, der Dominator, der frühere Gatte der Lady, den sie verraten und begraben, aber noch am Leben, in einem Grab im Großen Wald nördlich ei- ner weit entfernten Stadt namens Oar zurückgelassen hatte. Von dort aus hatte er verstohlen seine Fäden gezogen und den Verstand hochrangiger Rebellenführer verseucht, sie unter sei- nen Willen gezwungen, in der Hoffnung, daß er sie benutzen konnte, um die Lady in die Knie zu zwingen, und seine eigene Wiederauferstehung einzuleiten. Es war ihm nicht gelungen, ob- gleich ihm einige der ersten Unterworfenen bei seinen Ränken behilflich gewesen waren. Wenn er von meiner Existenz wußte, mußte ich auf seiner Liste ziemlich weit oben stehen. Er lag immer noch dort und schmiedete seine Pläne, haßte mich vielleicht, weil ich die Ver- schwörung der Unterworfenen, die ihm beistanden, mit aufgedeckt hatte… Das war furchter- regend. Die Lady war schon schlimm genug. Der Dominator aber war der Körper, von dem ihr Böses nur den Schatten darstellte. Oder so ähnlich behauptet es die Legende. Ich frage mich manchmal, wenn dies wirklich wahr ist, warum sie auf Erden wandelt und er ruhelos im Grab liegt.
Seit ich von der Macht dieses Wesens im Norden erfahren habe, habe ich einige Nachfor- schungen angestellt und mich in wenig bekannten Geschichtswerken umgetan. Und mir jedes Mal selbst eine Heidenangst eingejagt. Die Unterdrückung, eine Zeit, in der der Dominator tatsächlich herrschte, erschien mir wie eine Zeit der Hölle auf Erden. Es schien ein wahres Wunder, daß die Weiße Rose ihn zur Strecke gebracht hatte. Schade, daß sie ihn nicht ver- nichten konnte. Und all seine Untergebenen, einschließlich der Lady. Dann wäre die Welt nicht in der Not, in der sie sich jetzt befindet. Ich fragte mich, wann die Ruhepause vorbei ist. Die Lady ist nicht so schlimm gewesen. Wann gibt sie nach, läßt der Finsternis in ihrem Innern freien Lauf und belebt die Schrecken der Vergangenheit aufs neue?
Ich denke auch über die Greueltaten nach, die der Unterdrückung zugeschrieben werden. Unvermeidlicherweise wird die Geschichte von selbstsüchtigen Siegern geschrieben.
    Aus Goblins Unterkunft erklang ein Schrei. Schweiger und ich starrten uns einen Augen-
blick lang an, dann rannten wir hinein. Ich hatte ehrlich damit gerechnet, daß einer der beiden vor uns auf dem Boden verblutete. Ich hatte nicht erwartet, daß Goblin einen Anfall haben würde, während Einauge verzweifelt bemüht war zu verhindern, daß er sich selbst verletzte. »Jemand hat Verbindung aufgenom- men«, japste Einauge. »Helft mir. Es ist stark.« Ich klappte den Mund zu. Verbindung. Wir hatten seit der Verzweiflungsangriffe, kurz be- vor die Rebellen vor Jahren gegen Charm vorrückten, keine Direktverbindung mehr erlebt. Seither hatten sich die Lady und die Unterworfenen damit begnügt, ihre Nachrichten durch Boten zu schicken.
Der Anfall dauerte nur wenige Sekunden. Das war normal. Dann erschlaffte Goblin wim- mernd. Es würde einige Minuten dauern, bis er sich genug erholt hatte, um die Nachricht wei- terzugeben. Wir drei sahen uns mit ausdruckslosen Tonkspielergesichtern an, während wir innerlich bebten. Ich sagte: »Jemand sollte es dem Hauptmann melden.« »Ja«, sagte Einauge. Er rührte sich nicht. Ebensowenig Schweiger. »In Ordnung. Danke für die Wahl.« Ich zog ab und fand den Hauptmann bei der Tätigkeit, die er am besten versteht. Er hatte die Füße auf seinem Schreibtisch und schnarchte. Ich weckte ihn auf und berichtete ihm.
Er seufzte. »Sag dem Leutnant Bescheid.« Er ging zu den Kisten mit seinen Landkarten. Ich stellte ein paar Fragen, die er überhörte, kapierte und verschwand. Er hatte etwas Ähnliches erwartet. Hier in der Gegend gab es eine Krise? Wie hatte Charm zuerst davon erfahren können?
Schön blöd, mir Sorgen zu machen,

Weitere Kostenlose Bücher