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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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er sie auf den Wagen- bock. In der Dunkelheit sahen sie wie Mann und Frau aus, die noch späte Geschäfte tätigen. Er sprach erst, als sie den Port überquert hatten. »Wahrscheinlich fragst du dich, was hier ei- gentlich los ist, mein Liebling.«
Sue grunzte. Ihr Gesicht war blaß, sie hatte Angst. Er nahm ihr das Amulett wieder ab. Da er schon einmal dabei war, nahm er ihr auch allen weiteren Schmuck und die Wertgegenstände ab.
»Sue, ich habe dich geliebt. Ich hab dich wirklich geliebt. Ich hätte alles für dich getan. Wenn du so eine Liebe tötest, verwandelst du sie in einen gewaltigen Haß.« Der Schmuck war mindestens zwanzig Leva wert, schätzte er. Wie viele Männer hatte sie vernichtet? »So für Gilbert zu arbeiten. Versuchst die Lilie zu stehlen. Alles andere hätte ich dir verzeihen kön- nen. Alles.«
    Er redete während der gesamten Fahrt den Hügel hinauf. Es lenkte sie ab, bis die Schwarze
Burg so groß aufragte, daß man sie nicht mehr übersehen konnte. Ihre Augen weiteten sich. Sie begann zu zittern und dann zu stinken, als sie die Beherrschung über sich verlor. »Ja, Liebling«, sagte Shed im Unterhaltungston mit ruhiger Stimme. »Ja. Die Schwarze Burg. Du wolltest mich der Barmherzigkeit deiner Freunde überlassen. Du hast darauf gewet- tet und verloren. Jetzt übergebe ich dich an meine Freunde.« Er hielt den Wagen an, stieg ab, ging zum Tor. Es öffnete sich sofort.
Das hochgewachsene Wesen kam ihm entgegen und rang spinnendürre Hände. »Gut«, sagte es. »Sehr gut. Dein Partner hat uns nie gesunde Beute mitgebracht.« Sheds Eingeweide verkrampften sich. Er wollte es sich anders überlegen. Er wollte Sue nur weh tun und sie demütigen… Aber jetzt war es zu spät. Er konnte nicht mehr umkehren. »Es tut mir leid, Sue. Du hättest das nicht tun sollen. Du und Gilbert. Er kommt auch noch an die Reihe. Marron Shed ist nicht der, für den ihn alle halten.« Hinter Sues Knebel drang ein wimmernder Laut hervor. Shed wandte sich ab. Er mußte hier raus. Er sah das dünne Wesen an. Es begann, ihm die Münzen direkt in die Hand abzuzählen. Wie immer feilschte Shed nicht. Tatsächlich sah er das Geld nicht einmal an, stopfte es sich nur in die Taschen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Dunkelheit hinter der Kreatur. Da waren noch andere ihrer Art, zischten, drängelten. Shed erkannte das kleine stämmige Geschöpf, mit dem er einmal verkehrt hatte. Das dünne Wesen hörte auf zu zählen. Abwesend steckte Shed die Münzen in die Tasche und ging wieder zu seinem Wagen. Die Kreaturen stürmten aus dem Schatten hervor, packten Sue, rissen ihr die Kleider vom Leib. Eines zerrte ihr den Knebel aus dem Mund. Shed stieg wieder auf.
»Um Gottes willen, Marron! Laß mich nicht hier.« »Das war’s, Weib. Es ist vorbei.« Er ließ die Zügel schnalzen. »Zurück, Mulis.« Als er den Wagen zum Tor wandte, setzten ihre Schreie ein. Er sah sich nicht um. Er wollte es nicht wissen. »Weiter, Mulis.«
»Komm bald wieder, Marron Shed«, rief das hochgewachsene Geschöpf ihm hinterher.

SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Juniper: Verbannt
    Daß Wisper mich zu sich rufen ließ, traf mich unvorbereitet. Für den täglichen Bericht war es noch zu früh. Ich hatte kaum mein Frühstück beendet. Ich wußte, das bedeutete Ärger. Ich wurde nicht enttäuscht.
Die Unterworfene strich wie ein Tier im Käfig auf und ab und vibrierte vor Anspannung und Zorn. Ich betrat den Raum ganz nach Vorschrift, stand in perfekter Paradehaltung da, lieferte ihr keinen Vorwand, sich an Kleinigkeiten aufzuhängen – falls die Sache, um die es ging (was auch immer das sein mochte), nicht meine Schuld war. Mehrere Minuten lang achtete sie nicht auf mich und baute ihre nervöse Energie ab. Dann setzte sie sich und starrte nachdenklich auf ihre Hände. Ihr Blick hob sich zu mir. Und sie war ganz die vollkommene Selbstbeherrschung. Sie lä- chelte sogar. Wenn sie so schön wie die Lady gewesen wäre, dann hätte dieses Lächeln Granit zum Schmelzen gebracht. Aber sie war nun einmal ein vernarbtes altes Schlachtroß, und da- her milderte das Lächeln nur die Strenge ihres Gesichts. »Welche Disposition hatten die Männer letzte Nacht?« fragte sie. Verdutzt fragte ich: »Wie bitte? Meint Ihr ihre Stimmung?« »Wo waren sie eingeteilt?«
»Oh.« Das war eigentlich Elmos Bereich, aber ich hielt es für klüger, ihr das nicht zu sagen. Die Unterworfenen nehmen keine Entschuldigungen hin, wie gut sie auch sein mögen. »Die drei Männer, die

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