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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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Segelmacherdiele befand. Verdammt. Nun war er schon mal hier; da konnte er auch genausogut Gilbert aufsuchen. Sich etwas bor- gen, damit er Sue heute abend treffen konnte. Lisa, die kleine Schlampe, konnte vielleicht sein Geld verstecken, aber von Gilbert konnte sie ihn nicht abhalten. Einen halben Straßenzug später meldeten sich die ersten Gewissensbisse. Zu viele Menschen waren von ihm abhängig. Er sollte seine finanzielle Lage eigentlich nicht noch ver- schlimmern.
»Verdammtes Weib«, brummte er. »Sollte nicht so mit mir reden. Sie bringt mich noch da- zu, daß ich an jedem zweifle.« Er lehnte sich gegen eine Wand und rang mit seinem Gewis- sen. Mal war die Lust stärker, mal sein Hang zur Verantwortung. Er sehnte sich nach Sue… Wenn sie ihn wirklich liebte, dann hätte er kein Geld nötig gehabt… »Was?« sagte er laut. Er sah noch einmal hin. Seine Augen hatten ihn nicht getrogen. Das war Sue, die gerade Gilberts Palast betrat. Sein Magen sackte ab wie ein fallender Stein. »Nein. Sie kann doch nicht… Es muß eine Erklärung dafür geben.«
Aber sein verräterischer Verstand begann damit, kleine Sonderbarkeiten in ihrer Beziehung aufzulisten, und besonders machte er sich über ihre Neigung zum Geldausgeben her. Über dem Feuer seiner Pein begann der Zorn zu sieden. Er schlich sich über die Straße und hastete in die Gasse hinter Gilberts Haus. Gilberts Büro ging nach hinten hinaus, und das Fenster öff- nete sich zu der Gasse. Shed erwartete nicht, daß es offen sein würde. Allerdings hoffte er, einen Blick erhaschen zu können.
Das Fenster war nicht offen, aber er konnte hören. Und die Begleitgeräusche eines Liebes- akts kamen dem, was er hören wollte, in keiner Weise nahe. Er dachte darüber nach, sich hier und jetzt umzubringen. Dachte darüber nach, sich vor Sues Hauseingang umzubringen. Erwog ein Dutzend weitere dramatische Protestarten. Und wußte doch, daß keine davon die beiden Schufte berühren würde. Sie unterhielten sich. Ihr Gespräch machte Sheds letzten Zweifeln den Garaus. Der Name Marron Shed wurde erwähnt.
»Er ist schlachtreif«, sagte die Frau. »Ich habe ihn so weit ausgenommen, wie ich nur konn- te. Vielleicht noch ein weiterer Kredit, bevor ihm seine Familie wieder einfällt.« »Dann tu es. Ich will das erledigt haben. Führe ihn bis zum Rande des Abgrunds, und gib ihm dann einen Schubs. Er ist Krage entwischt.« Shed erbebte vor Zorn.
»Wie weit hast du ihn schon in der Tasche?«

»Achtzehn Leva und zehn weitere an Zinsen.«
»Ich kann noch fünf aus ihm herausholen.« »Mach das. Ich habe einen Käufer an der Hand, der schon ganz heiß auf den Laden ist.« Shed ging. Stundenlang durchwanderte er den Stiefel. Er machte ein derart finsteres Gesicht, daß die Menschen die Straßenseite wechselten. Keine Rache ist so schrecklich wie die, die ein Feigling in den Tiefen seines Herzens plant. Später am gleichen Nachmittag schlenderte Shed in Gilberts Büro. Alle Gefühle waren in den Schatten verbannt, die er in der Nacht entdeckt hatte, als er mit Krages Jägern gegangen war. »Ich brauche fünfzehn Leva, Gilbert. Und zwar rasch.« Gilbert war überrascht. Er riß sein Auge weit auf. »Fünfzehn? Wozu das denn, verdammt?« »Ich habe ein feines Geschäft am Laufen, aber heute nacht muß ich es abschließen. Wenn du willst, gebe ich dafür zwei Prozentpunkte mehr.« »Shed, du steckst bei mir schon tief in der Kreide. Ich mache mir allmählich Sorgen, daß du das nicht abdecken kannst.«
»Wenn dieses Geschäft klappt, dann kann ich alles abbezahlen.« Gilbert starrte ihn an. »Was ist los, Shed?« »Was soll denn los sein?«
»Du machst einen verteufelt selbstbewußten Eindruck.« Shed tischte ihm die Lüge auf, die ihn am meisten schmerzte. »Ich werde heiraten, Gilbert. Heute nacht mache ich der Dame einen Antrag. Ich will das Geschäft abschließen, damit ich die Lilie zu einem angemessenen Ort für sie machen kann.« »Ah ja«, atmete Gilbert auf. »Fein, fein, fein. Marron Shed feiert Hochzeit. Interessant. In Ordnung, Shed. Es ist zwar kein gutes Geschäft, aber ich lasse es darauf ankommen. Fünf- zehn, sagtest du?«
»Danke, Gilbert. Ich bin dir wirklich dankbar…« »Bist du sicher, daß du die Raten bezahlen kannst?« »Vor Ende der Woche habe ich zehn Leva für dich. Garantiert. Und wenn Sue mir in der Li- lie hilft, werde ich mit Leichtigkeit genug Gewinn machen, um auch den Rest abzudecken.« Gilbert kämpfte ein dünnes Lächeln nieder. »Dann macht es dir

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