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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Befragungen an durchaus seltsamen Orten durchgeführt, aber Ravenscraig Castle war wahrscheinlich unter den Top Fünf. Als sie Fergus Sinclair um ein Treffen gebeten hatte, hatte er diesen Ort vorgeschlagen. »So kann meine Frau mit den Kindern durchs Schloss und zur Küste hinuntergehen«, sagte er. »Wir sind im Sommerurlaub. Ich sehe nicht ein, dass wir im Haus bleiben sollten, nur weil Sie mit mir sprechen möchten.«
    »Ein Grund ist das Wetter«, wäre eine gute Antwort gewesen. Karen saß auf den Überresten einer Mauer und hatte wegen der steifen Brise von der See her den Kragen ihres Anoraks hochgestellt, und Phil saß in seine Lederjacke gekauert neben ihr. »Ich hoffe, es wird sich lohnen«, meinte er. »Ich weiß nicht, ob ich mir hier Rheuma oder Hämorrhoiden hole, aber ich weiß, dass es auf gar keinen Fall gesund ist.«
    »Er ist wahrscheinlich daran gewöhnt, er arbeitet ja auf einem Jagdgut.« Karen linste zum Himmel hinauf. Die Wolken waren hoch oben und nur dünn, aber sie hätte trotzdem wetten können, dass es bis zum Mittag regnen würde. »War dir bekannt, dass das hier im Mittelalter der Sitz der Familie St. Clair war?«
    »Deshalb heißt dieser Teil von Kirkcaldy Sinclairtown, Karen.« Phil rollte mit den Augen. »Meinst du, er versucht uns einzuschüchtern?«
    Sie lachte. »Wenn ich Brodie Grant überstanden habe, kann ich es auch mit einem Nachfahren der St. Clairs von Ravenscraig aufnehmen. Denkst du, das ist er?«
    Ein großer, langgliedriger Mann kam durch das Pförtnerhaus des Schlosses, gefolgt von einer Frau, die fast so groß war wie er, und zwei kräftigen kleinen Jungen, die beide wie ihre Mutter hellblondes Haar hatten. Die Buben sahen sich um und waren schon weg, rannten und sprangen, kletterten und kundschafteten alles aus. Die Frau streckte dem Mann das Gesicht entgegen, er küsste sie auf die Stirn und klopfte ihr auf den Rücken, während sie sich umdrehte und hinter den Jungen herlief. Er schaute sich um und erblickte die beiden Beamten, hob die Hand zum Gruß und kam mit schnellen langen Schritten auf sie zu.
    Während er sich näherte, studierte Karen sein Gesicht, das sie nur auf zweiundzwanzig Jahre alten Fotos gesehen hatte. Er hatte sich gut gehalten, allerdings waren seine Züge wettergegerbt, und das Netz feiner heller Fältchen um seine scharfen blauen Augen bezeugte, wie viel Zeit er in Sonne und Wind verbrachte. Sein Gesicht war schmal, die Wangen etwas eingefallen, die Umrisse der Knochen unter der Haut klar zu erkennen. Sein hellbraunes Haar hing in dünnen Ponyfransen ins Gesicht und gab ihm ein fast mittelalterlich anmutendes Aussehen. Er trug ein weiches kariertes Hemd, das in einer Jägerhose steckte, und leichte Wanderstiefel. Sie stand auf und nickte zum Gruß. »Sie müssen Fergus Sinclair sein«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin DI Karen Pirie, und das ist DS Phil Parhatka.«
    Er umschloss ihre Hand mit einem so kräftigen Händedruck, dass sie, wie oft bei solchen Gelegenheiten, den Wunsch verspürte, ihrem Gegenüber mit der freien Hand eine runterzuhauen.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie bereit sind, mich hier zu treffen«, erklärte er. »Ich wollte nicht, dass meine Eltern wieder an die unschöne Vergangenheit erinnert werden.« Sein Akzent aus Fife war fast nicht mehr zu hören. Wenn Karen hätte raten sollen, hätte sie ihn für einen Deutschen gehalten, der außergewöhnlich gut Englisch sprach.
    »Kein Problem«, log sie. »Sie wissen, warum wir den Fall wieder aufgerollt haben?«
    Er setzte sich auf ein Mauerstück im rechten Winkel zu Karen und Phil. »Mein Vater erzählte, es hätte etwas mit dem Lösegeldposter zu tun. Ist wieder eines aufgetaucht?«
    »Richtig. In einer verfallenen Villa in der Toskana.« Karen wartete ab. Er erwiderte nichts.
    »Nicht sehr weit von der Gegend, in der Sie wohnen«, schob Phil nach.
    Sinclair hob die Augenbrauen. »Wohl kaum vor meiner Haustür.«
    »Ungefähr sieben Stunden Fahrt, laut Internet.«
    »Wenn Sie das sagen. Ich hätte geschätzt, eher acht oder neun. Aber so oder so bin ich nicht sicher, was Sie damit andeuten wollen.«
    »Ich will damit gar nichts andeuten, Sir. Ich möchte nur, dass Sie den Ort im Kontext sehen«, sagte Phil. »Die Leute, die die Villa besetzt hatten, waren eine Gruppe von Puppenspielern. Sie nannten sich BurEst. Die Anführer waren zwei Deutsche, Matthias und Ursula. Haben Sie sie jemals getroffen?«
    »Herrgott noch mal«, murrte Sinclair entnervt. »Das

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