Nacht unter Tag
kleinen Teich? Bel wollte lieber keine Mutmaßungen anstellen.
Es waren nicht nur die Leute, an denen sie vorbeikamen. Draußen vor dem Terminal, wo Schilder und Lautsprecheransagen das Parken strikt untersagten, stand ein bewaffneter Polizist neben Grants Landrover. Er war nicht da, um Grant zu warnen oder ihm ein Knöllchen zu verpassen, sondern um sicherzustellen, dass niemand den Defender beschädigte. Wie ein Patriarch nickte Grant ihm zu, lud das Gepäck ein und winkte dann freundlich, als sie abfuhren.
»Ich bin beeindruckt«, sagte Bel. »Ich dachte, nur die Royals würden so behandelt.«
Sein Gesicht zuckte, als sei er nicht sicher, ob sie es als kritische Anmerkung gemeint hatte. »In meinem Land haben wir Respekt vor dem Erfolg.«
»Was? Dreihundert Jahre Unterdrückung durch die Engländer haben Ihnen das nicht ausgetrieben?«
Grant richtete sich abrupt auf, dann wurde ihm klar, dass sie ihn neckte. Zu ihrer Erleichterung lachte er. »Nein. Ihr seid viel mehr darauf aus, den Erfolg herabzusetzen, als wir. Aber ich glaube, Sie mögen den Erfolg auch, Annabel. Sind Sie nicht deshalb hier und arbeiten mit mir zusammen, statt irgendeine schreckliche Geschichte von Vergewaltigung und Mädchenhandel in London aufzudecken?«
»Teilweise. Aber auch weil es mich interessiert, was wirklich passiert ist.« Sobald die Worte ausgesprochen waren, hätte sie sich ohrfeigen können, dass sie ihm das perfekte Stichwort geliefert hatte.
»Und was haben Sie in der Toskana herausgefunden?«
Während sie auf leeren Straßen durch die Dunkelheit rasten, erzählte sie ihm, was sie entdeckt hatte und vermutete. »Ich bin zurückgekommen, weil ich nicht die Mittel habe, Gabriel Porteous aufzuspüren«, schloss sie. » DI Pirie könnte vielleicht die italienischen Polizisten aktivieren …«
»Wir werden mit DI Pirie nicht darüber sprechen«, erklärte Grant bestimmt. »Wir heuern einen Privatdetektiv an. Er kann uns die Informationen kaufen, die wir brauchen.«
»Sie werden der Polizei nicht sagen, was ich herausgefunden habe? Sie werden die Ergebnisse nicht mit ihnen teilen? Oder die Fotos?« Sie wusste, dass sie sich von den Eskapaden der Superreichen nicht schockieren lassen sollte, aber über eine so unnachgiebige Reaktion war sie doch bestürzt.
»Die Polizei taugt nichts. Wir können das selbst erledigen. Sollte dieser Junge Adam sein, dann ist es eine Familienangelegenheit. Es ist nicht Aufgabe der Polizei, ihn zu finden.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Bel. »Als wir mit dieser Sache anfingen, sind Sie doch selbst zur Polizei gegangen. Und jetzt wollen Sie sie ausschließen.«
Ein langes Schweigen folgte. Vom Armaturenbrett her wurde sein Profil im Dunkel angestrahlt, die Muskeln am Unterkiefer waren hart und angespannt. Endlich entgegnete er: »Entschuldigung, aber ich glaube, Sie haben das nicht ganz durchdacht, Bel.«
»Was habe ich übersehen?« Sie spürte, wie die alte Angst sie ergriff, die Redakteure immer bei ihr auslösten, wenn sie ihre Artikel hinterfragten.
»Sie sprachen über eine beträchtliche Menge Blut auf dem Küchenboden. Sie meinten, jemand, der so viel Blut verloren hätte, wäre wahrscheinlich tot. Das heißt, dass irgendwo eine Leiche ist, und jetzt, da die Polizei sucht, wird sie sie wahrscheinlich finden. Und wenn sie sie findet, wird sie nach einem Mörder fahnden …«
»Und Gabriel war an dem Abend da, bevor alle verschwanden. Sie meinen, Gabriel wird unter Verdacht geraten«, führte Bel den Gedanken weiter und begriff es plötzlich. »Und wenn er Ihr Enkel ist, möchten Sie, dass er von der Bildfläche verschwindet.«
»Sie kommen der Sache näher, Bel«, sagte er. »Und vor allem will ich nicht, dass die italienische Polizei ihm diese Sache anhängt, weil sie den wirklichen Mörder nicht finden kann. Wenn er nicht da ist, ist die Versuchung weniger groß, besonders weil es andere, attraktivere Verdächtige vor Ort geben wird. Die italienischen Detektive werden nicht nur nach Gabriel Porteous suchen.«
O mein Gott, er wird es jemand anderem anlasten lassen. Nur als Absicherung. Bel wurde übel. »Sie meinen, Sie werden einen Sündenbock suchen?«
Grant warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. »Was für eine seltsame Idee. Ich werde nur sicherstellen, dass der italienischen Polizei alle Hilfe zukommt, die sie verdient.« Sein Lächeln war grimmig. »Wir sind jetzt alle Bürger Europas, Bel.«
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Donnerstag, 5. Juli 2007,
Kirkcaldy
K aren hatte schon häufiger
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