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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ist fast, als fragten Sie einen Schotten, ob er zufällig mal Ihre Tante in London getroffen hat. Ich war, glaube ich, noch nie in einem Puppentheater. Nicht mal mit den Kindern. Und ich kenne niemanden, der Matthias heißt. Die einzige Ursula, die ich kenne, arbeitet in meinem Wohnort auf der Bank, und ich bezweifle sehr, dass sie sich in ihrer Freizeit mit Marionetten beschäftigt.« Er wandte sich an Karen. »Ich dachte, Sie wollten über Cat sprechen.«
    »Das wollen wir auch. Es tut mir leid, ich dachte, Sie wollten wissen, warum wir den Fall wieder aufrollen«, erwiderte sie ernst und schlüpfte mit Leichtigkeit in die Rolle des »guten Bullen«. »Ich nehme an, Sie haben das jetzt alles hinter sich gelassen. Jetzt da Sie eine Frau und Kinder haben.«
    Er ließ die Hände zwischen seine Knie fallen und schlang die Finger ineinander. »Ich werde es nie ganz hinter mir lassen. Ich habe sie immer noch geliebt, als sie starb. Obwohl sie mich fortgejagt hatte, verging kein Tag, an dem ich nicht an sie gedacht hätte. Ich habe so viele Briefe geschrieben. Keinen davon abgeschickt.« Er schloss die Augen. »Aber selbst wenn ich Cat vergessen könnte, wird mir das mit Adam nie gelingen.« Er blinzelte heftig und sah Karen in die Augen. »Er ist mein Sohn. Cat hat ihn von mir ferngehalten, als er ein Säugling war, aber die Kidnapper haben ihn mir zweiundzwanzig und ein halbes Jahr vorenthalten.«
    »Sie glauben, dass er noch lebt?«, fragte Karen behutsam.
    »Ich weiß, dass er wahrscheinlich schon wenige Stunden nach seiner Mutter tot war. Aber ich bin Vater. Ich kann nicht anders als hoffen, dass er irgendwo auf der Welt herumläuft. Und dass er ein gutes Leben hat. So denke ich gern an ihn.«
    »Sie waren immer sicher, dass er Ihr Sohn war«, sagte Karen. »Obwohl Cat Sie nicht als Vater anerkennen wollte, haben Sie nie gezweifelt.«
    Er presste die Hände aneinander. »Warum sollte ich Zweifel haben? Hören Sie, ich weiß, dass meine Beziehung zu Cat schon auf dem absteigenden Ast war, als sie schwanger wurde. Wir hatten uns ein halbes Dutzend Mal getrennt und wieder versöhnt. Wir trafen uns nur noch selten. Aber fast genau neun Monate, bevor Adam zur Welt kam, verbrachten wir eine Nacht miteinander. Als wir unsere … Schwierigkeiten hatten, fragte ich sie, ob es einen anderen Mann gäbe, aber sie schwor, dass da niemand wäre. Und weiß Gott, sie hatte keinen Grund, zu lügen. Sie wäre wahrscheinlich sogar besser dran gewesen, wenn sie behauptet hätte, sie sei mit einem anderen zusammen. Ich hätte dann akzeptieren müssen, dass es aus war. Es gab also keinen anderen, der in Frage kam.« Er löste die Hände voneinander und spreizte die Finger. »Er hatte sogar die gleiche Haarfarbe wie ich. Ich wusste, dass er von mir war, als ich ihn das erste Mal erblickte.«
    »Sie müssen verletzt gewesen sein, als Cat sich weigerte, zuzugeben, dass Adam Ihr Sohn war«, vermutete Karen.
    »Ich war wütend«, bestätigte er. »Ich wollte vor Gericht gehen, alle Tests machen lassen.«
    »Und warum haben Sie’s nicht getan?«
    Sinclair starrte zu Boden. »Meine Mutter hat es mir ausgeredet. Brodie Grant hasste den Gedanken, dass ich und Cat zusammen waren. Wenn man bedenkt, dass er aus extrem armen Verhältnissen in Kelty kam, hatte er schon sehr herablassende Vorstellungen davon, wer sich als Partner für seine Tochter eignete. Der Sohn eines Wildhüters sicherlich nicht. Er tanzte praktisch vor Freude, als wir uns trennten.« Er seufzte. »Meine Mum sagte, wenn ich wegen Adam gegen Cat vorginge, würde Grant seine Wut an ihr und meinem Vater auslassen. Sie wohnen in einem Häuschen, das zum Schloss gehört. Grant hat meinem Vater einmal versprochen, dass sie dort bleiben könnten, solange sie leben. Sie haben ihr ganzes Leben für einen geringen Lohn gearbeitet und haben keine andere Altersvorsorge. So hab ich um ihretwillen die bittere Pille geschluckt und bin weit weg gegangen, wo ich Cat oder ihren Vater nicht jeden Tag sehen musste.«
    »Ich weiß, dass Ihnen damals diese Frage gestellt wurde, aber haben Sie je darüber nachgedacht, sich an den Leuten zu rächen, die Ihr Leben zerstört haben?«, fragte ihn Karen.
    Sinclairs Gesicht verzog sich, als täte ihm etwas weh. »Wenn ich irgendeine Ahnung gehabt hätte, wie ich mich rächen könnte, dann hätte ich es getan. Aber ich hatte keinen Schimmer und auch keine Mittel. Ich war fünfundzwanzig Jahre alt und arbeitete als Jagdhüter auf einem Gut in Österreich. Ich

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