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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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hatte lange Arbeitszeiten und verbrachte meine Freizeit damit, die Sprache zu lernen und zu saufen. Ich versuchte zu vergessen, was ich zurückgelassen hatte. Glauben Sie mir, Inspector, der Gedanke, Cat und Adam zu entführen, kam mir nie in den Sinn. Ich bin einfach nicht so ein Mensch. Wäre Ihnen so etwas eingefallen?«
    Karen zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Gott sei Dank war ich nie in einer solchen Lage. Ich weiß aber, dass ich mich hätte rächen wollen, hätte man mich wie Sie behandelt.«
    Mit einem Nicken in ihre Richtung gab Sinclair ihr recht. »Ich weiß nur eins. Meine Mutter hat immer gesagt, gut zu leben ist die beste Rache. Und das habe ich versucht, zu tun. Ich habe Glück, dass ich eine Arbeit habe, die ich liebe, und das zudem in einem schönen Teil der Welt. Ich kann jagen, angeln, klettern und Ski fahren. Ich führe eine gute Ehe und habe zwei gescheite, gesunde Jungen. Ich beneide niemanden, am allerwenigsten Brodie Grant. Der Mann hat mir alles genommen, was mir wichtig war. Er und seine Tochter haben mir weh getan. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber ich habe mein Leben neu aufgebaut, und es ist ein gutes Leben. Ich habe eine Vergangenheit, die Narben hinterlassen hat. Aber diese drei …«, er wies auf die Stelle, wo seine Frau und seine Söhne einen grasbewachsenen Hang hinaufkletterten, »die drei entschädigen mich für verdammt vieles.«
    Es war eine hübsche Rede, aber sie hatte Karen nicht restlos überzeugt. »Ich glaube, ich würde es ihm an Ihrer Stelle mehr verübeln.«
    »Dann ist es ja gut, dass Sie nicht an meiner Stelle sind. Groll ist ein ungesundes Gefühl, Inspector. Es frisst an einem wie ein Krebsgeschwür.« Er sah ihr direkt in die Augen. »Es gibt Leute, die glauben, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen beidem gibt. Ich will nicht an Krebs sterben.«
    »Meine Kollegen haben Sie vernommen, nachdem Cat gestorben war. Ich nehme an, Sie erinnern sich daran recht gut?«
    Sein Gesicht zuckte, und plötzlich sah Karen einen Schimmer des Feuers, das Fergus Sinclair so gut unter Kontrolle gehalten hatte. »Nach dem Tod der Frau, die man liebt, als Verdächtiger behandelt zu werden? Das vergisst man nicht so leicht«, antwortete er, und seine Stimme war angespannt vor unterdrücktem Zorn.
    »Wenn man jemanden fragt, ob er ein Alibi hat, heißt das nicht unbedingt, dass man ihn als Verdächtigen behandelt«, erklärte Phil. Sie merkte, dass er Sinclair nicht mochte, und hoffte, dies werde das Gespräch nicht zum Entgleisen bringen. »Wir müssen Personen durch unsere Befragungen ausschließen, damit wir keine Zeit mit Nachforschungen über Unschuldige verschwenden. Manchmal ist ein Alibi die schnellste Möglichkeit, jemanden auszusondern.«
    »Vielleicht«, entgegnete Sinclair, und streckte trotzig das Kinn vor. »Mir schien es damals nicht so. Es kam mir eher so vor, als vollbrachten Ihre Leute verdammt große Anstrengungen, um zu beweisen, dass ich nicht an dem Ort gewesen war, den ich angegeben hatte.«
    Es war Zeit, die Gemüter zu beruhigen, dachte Karen. »Gibt es irgendetwas, das Ihnen seit damals eingefallen ist, was uns helfen könnte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Was könnte ich Hilfreiches wissen? Ich hatte nie auch nur entfernt Interesse an Politik und schon gar nicht an anarchistischen Splittergruppen. Die Leute, mit denen ich verkehre, wollen keine Revolution.« Er setzte kurz ein selbstgefälliges Lächeln auf. »Außer vielleicht, wenn es eine Revolution des Skidesigns wäre.«
    »Ehrlich gesagt, glauben wir nicht, dass es eine anarchistische Gruppe war«, sagte Karen. »Wir haben ziemlich gute Erkenntnisse über die Art von Leuten, die an direkte Aktionen zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele glauben. Und vom Anarchistischen Kampfbund Schottlands hat man weder zuvor noch danach jemals gehört.«
    »Na ja, sie wollten ja wohl danach nicht die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, oder? Nicht wenn sie eine Anklage wegen Mordes und Entführung riskierten.«
    »Unter dem Namen nicht, nein. Aber sie haben eine Million Pfund in Bargeld und Diamanten eingesackt. Das wären in heutiger Währung über drei Millionen. Wären sie engagierte politisch Interessierte gewesen, dann würde man erwarten, dass Teile des Geldes in den Kassen radikaler Gruppen mit ähnlichen Zielen aufgetaucht wären. Meine Vorgänger in diesem Fall baten den MI 5 um einen Bericht über ihre Erkenntnisse. In den fünf Jahren nach Cats Ermordung ist nichts dergleichen

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