Nacht unter Tag
klang es italienisch«, entgegnete Sinclair. »Da waren auch zwei Jungs. Ein Typ aus Crieff oder so einem blöden Ort in Perthshire: Toby Inglis. Und schließlich Jack Docherty, ein versiffter Prolet aus Glasgow. Die anderen waren alles nette Kinder aus der Mittelklasse, und Jack gab den Affen für sie, was ihm aber nichts auszumachen schien. Er gehörte zu den Menschen, denen es egal ist, auf welche Weise sie Aufmerksamkeit bekommen, solange sie überhaupt beachtet werden.«
»Hat sie mit einem von ihnen den Kontakt gehalten, als sie nach Schweden ging?«
Als seine Jungs über den Rasen auf Sinclair zugerannt kamen, stand er auf und ignorierte Karen. Sie stürzten sich mit aufgeregtem Geplapper auf ihn, das Karen Deutsch zu sein schien. Sinclair fing sie auf, und sie klammerten sich wie Schimpansenbabys an ihn, während er mühsam ein paar Schritte machte. Dann setzte er sie ab und sagte etwas zu ihnen, zerzauste ihnen die Haare und schickte sie los zu ihrer Mutter, die bei den Stufen zur Küste verschwunden war. »Entschuldigung«, bat er, als er zurückkam und sich wieder setzte. »Sie vergewissern sich immer gern, dass man sich darüber im Klaren ist, was man verpasst. Um Ihre Frage zu beantworten, ich weiß es wirklich nicht. Ich erinnere mich undeutlich daran, dass Cat den einen oder anderen ein paarmal erwähnte, aber ich habe nicht besonders darauf geachtet. Ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Nachdem Cat das College verlassen hatte, habe ich sie nie wieder getroffen.« Er fuhr sich mit der Hand über das Kinn. »Im Nachhinein glaube ich, dass Cat und ich immer weniger gemeinsam hatten, je älter wir wurden. Wenn sie weitergelebt hätte, wären wir nie wieder zusammengekommen.«
»Sie hätten vielleicht durch Adam Berührungspunkte entdeckt«, meinte Karen schließlich.
»Ich würde es mir gern so vorstellen.« Er schaute sehnsüchtig zu dem Tor, durch das seine Jungen verschwunden waren. »Gibt es sonst noch etwas? Ich würde ganz gern zu meinem jetzigen Leben zurückkehren.«
»Glauben Sie, dass es jemanden von der Kunsthochschule gab, der ihr gegenüber vielleicht feindlich gesinnt war?«, wollte Karen wissen.
Sinclair schüttelte den Kopf. »Sie hat nie etwas gesagt, das mich das hätte annehmen lassen«, antwortete er. »Sie war eine starke Persönlichkeit, aber ein Mensch, den nicht zu mögen einem schwerfiel. Ich erinnere mich nicht daran, dass sie jemals erzählte, jemand hätte ihr Schwierigkeiten gemacht.« Er stand wieder auf und strich über seine Hose. »Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand, der sie kannte, glauben konnte, ihre Entführung würde gelingen. Dafür war sie viel zu geschickt darin, ihren Kopf durchzusetzen.«
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Glenrothes
D er Minzdrops attackierte die Tastatur mit den Zeigefingern. Er verstand nicht, warum dieses rasend schnelle Gehudel »Blindschreiben« genannt wurde. Man konnte schließlich besser schreiben, wenn man hinsah. Außerdem wusste er auch nicht, warum seine Chefin ihm immer diese Computerrecherchen aufhalste, es sei denn aus purem Sadismus. Alle meinten, junge Typen wie er seien vollkommen vertraut mit Computern, aber für ihn war es, als sei er im Ausland und wüsste nicht einmal das Wort für Bier.
Es wäre ihm viel lieber gewesen, sie hätte ihn mit Parhatka zur Kunsthochschule geschickt, um mit richtigen Menschen zu reden und Jahrbücher und altmodische Archive auf Papier zu durchstöbern. So etwas konnte er besser. Und außerdem hatte DS Parhatka gut lachen. Da es doch keineswegs lustig war, die Foren und Mitgliederlisten von www.bestdaysofourlives.com nach den Namen auf dem schmuddeligen Zettel zu durchsuchen, den die Chefin im Vorbeigehen auf seinen Schreibtisch hatte flattern lassen.
Diese Arbeit war genau das, weshalb er gerade nicht zur Polizei gegangen war. Wo blieb die Action? Wo waren die dramatischen Autojagden und die Verhaftungen? Statt Spannung hatte er die Chefin und Parhatka bekommen, die sich wie ein altes Comedy-Duo gaben, wie French & Saunders. Oder war das Flanders & Swann gewesen? Er konnte es sich nie merken.
Er hatte nicht einmal jemanden unter Druck setzen müssen, um vollen Zugriff auf die Website zu bekommen. Die Frau, mit der er gesprochen hatte, war sehr bemüht, ihm behilflich zu sein. »Wir haben die Polizei schon öfter unterstützt, wir tun immer gern, was wir können«, legte sie los, sobald er die Anfrage vorgebracht hatte. Wer immer zuvor mit ihr zu tun gehabt hatte, hatte bei ihr
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